Anaphylaxie (Allergischer Schock) bei Hunden

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Die Anaphylaxie ist eine akute, generalisierte Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ I, die durch eine massive Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Histamin, Prostaglandinen und Leukotrienen vermittelt wird. Es handelt sich um einen immunologisch bedingten Notfall, der beim Hund innerhalb von Minuten nach Kontakt mit einem Allergen lebensbedrohlich verlaufen kann. Die Reaktion wird typischerweise durch eine Sensibilisierung gegenüber einem spezifischen Antigen ausgelöst, auf das das Immunsystem bei erneutem Kontakt überschießend reagiert. Typische Auslöser bei Hunden sind Insektenstiche (z. B. von Bienen oder Wespen), Medikamente (z. B. Penicillin, Impfstoffe, Anästhetika), Nahrungsmittelbestandteile, Transfusionen oder seltener Zusätze zu Impfstoffen ( Impfadjuvantien).

Ursachen

  • Insektenstiche (z. B. Bienen, Wespen)
  • Bestimmte Medikamente (z. B. Antibiotika)
  • Nahrungsmittel (z. B. Rindfleisch, Milchprodukte)
  • Impfstoffe

Der pathophysiologische Ablauf beginnt mit der Aktivierung von IgE-Antikörpern, die an Mastzellen und basophile Granulozyten gebunden sind. Nach Antigenbindung kommt es zur Degranulation dieser Zellen und Freisetzung vasoaktiver Substanzen. Dies führt zu Vasodilatation, erhöhter Gefäßpermeabilität, Hypotonie, Bronchokonstriktion und Schockzuständen. Die Klinik beim Hund unterscheidet sich dabei von der des Menschen: Während beim Menschen vor allem respiratorische Symptome im Vordergrund stehen, dominieren beim Hund kardiovaskuläre und gastrointestinale Symptome.

Symptome

Die Symptome setzen meist sehr plötzlich ein und variieren je nach Schweregrad. Frühzeichen sind Unruhe, Hecheln, Speicheln, Erbrechen und Durchfall, oft verbunden mit urtikariellen Hautreaktionen oder Angioödemen, insbesondere im Gesichtsbereich. In schweren Fällen kommt es zu Kreislaufkollaps, Tachykardie, Hypotonie, Bewusstseinsverlust und sogar zum Tod durch kardiogenen oder hypovolämischen Schock. Ein typisches Bild ist das akute Kollabieren des Hundes wenige Minuten nach Kontakt mit einem bekannten Allergen. Auch atypische Präsentationen, etwa mit isolierter Diarrhoe, können vorkommen und erfordern eine hohe klinische Aufmerksamkeit.

Diagnose

  • Basierend auf der klinischen Präsentation und Anamnese
  • Bluttests zur Bestätigung erhöhter IgE-Spiegel können unterstützend sein

Die Diagnose basiert primär auf der Anamnese und dem typischen akuten klinischen Bild. Eine labordiagnostische Sicherung ist im Akutfall oft nicht möglich, kann aber im Nachgang durch Bestimmung von Serum-Tryptase oder IgE-Spiegeln erfolgen. Differentialdiagnostisch müssen andere Ursachen für einen akuten Schock, wie Herzrhythmusstörungen, Hämorrhagie, Torsio ventriculi oder Intoxikationen, ausgeschlossen werden. Eine genaue Erhebung der Vorgeschichte, etwa zu vorangegangenen Impfungen, Medikamentengaben oder Insektenkontakt, ist essenziell.

 

 

Therapie

  • Intravenöse Verabreichung von Adrenalin
  • Sauerstoffgabe bei Atemschwierigkeiten
  • Intravenöse Flüssigkeiten zur Stabilisierung des Blutdrucks
  • Antihistaminika und Kortikosteroide zur Kontrolle der Reaktion

Die Therapie erfordert ein sofortiges, entschlossenes Handeln. Erstmaßnahme ist die intramuskuläre oder intravenöse Verabreichung von Adrenalin (0,01 mg/kg IM, alle 5–15 Minuten wiederholbar), das eine Vasokonstriktion, Bronchodilatation und Mastzellstabilisierung bewirkt. Zusätzlich erfolgt eine Volumentherapie mit isotonischen Kristalloiden zur Stabilisierung des Kreislaufs, gefolgt von Kortikosteroiden wie Prednisolon zur Entzündungshemmung und Antihistaminika wie Diphenhydramin zur Blockade freier Histaminrezeptoren. Bei Bronchospasmus ist eine Inhalationstherapie mit β2-Agonisten oder Theophyllin möglich. In besonders schweren Fällen, etwa bei Refraktärität gegenüber Adrenalin, kann eine Vasopressortherapie mit Noradrenalin oder Dopamin indiziert sein. Eine Sauerstoffgabe, Temperaturkontrolle und engmaschige Überwachung der Vitalparameter sind ebenfalls obligat.

Prognose und Nachsorge

  • Ein schnelles Erkennen und eine früheinsetzende Behandlung bei einer Anaphylaxie sind entscheidend für das Überleben. Mit sofortiger Behandlung können sich die meisten Hunde vollständig erholen.

Die Prognose hängt entscheidend von der Schnelligkeit und Effektivität der eingeleiteten Therapie ab. Leichte Reaktionen sind gut beherrschbar, während bei ausgeprägter Hypotonie oder Herzbeteiligung eine Letalität von bis zu 30 % beschrieben ist. Wiederholte Anaphylaxien können schwerer verlaufen, weshalb präventive Maßnahmen entscheidend sind. Hierzu zählen die konsequente Meidung bekannter Allergene, genaue Dokumentation in der Krankenakte, gezielte Allergenbestimmung (z. B. durch Intrakutantests oder serologische IgE-Profile) und gegebenenfalls die Durchführung einer spezifischen Immuntherapie bei nachgewiesener Sensibilisierung. Hunde mit bekanntem Risiko sollten einen Notfallplan inklusive Adrenalin-Autoinjektor für den Notfall erhalten – dies erfordert jedoch eine genaue tierärztliche Einweisung.

Zusammenfassung

Zusammenfassend ist die Anaphylaxie beim Hund ein akut lebensbedrohlicher Zustand, der sofortige veterinärmedizinische Intervention erfordert. Die pathophysiologischen Mechanismen basieren auf einer IgE-vermittelten Mastzellaktivierung und der Freisetzung potenter Mediatoren. Das klinische Bild ist variabel, die Therapie erfordert v. a. Adrenalin, Flüssigkeitssubstitution und antientzündliche Medikamente. Prävention und Aufklärung der Besitzer sind zentrale Bestandteile im Langzeitmanagement anaphylaxiegefährdeter Hunde.

Ausblick auf aktuelle Forschung

Die aktuelle Forschung beschäftigt sich mit molekularen Signaturen anaphylaktischer Reaktionen beim Hund, dem Einsatz monoklonaler Antikörper zur Mastzellstabilisierung sowie neuen Biomarkern zur Risikoeinschätzung. Auch genetische Studien zur Prädisposition bestimmter Rassen sowie die Entwicklung sicherer Impfstoffformulierungen für empfindliche Tiere sind Gegenstand laufender Arbeiten.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

  1. Wie erkenne ich eine anaphylaktische Reaktion beim Hund?
    Plötzlicher Kollaps, Erbrechen, Durchfall, blasse Schleimhäute und Atemnot unmittelbar nach Allergenexposition.
  2. Was ist der wichtigste erste Schritt bei einer Anaphylaxie?
    Sofortige Verabreichung von Adrenalin und Kreislaufstabilisierung.
  3. Ist Anaphylaxie beim Hund heilbar?
    Der akute Zustand kann behandelt werden, eine Neigung bleibt jedoch oft bestehen.
  4. Was kann ich als Besitzer tun, wenn mein Hund Allergiker ist?
    Allergene meiden, Notfallmedikamente bereithalten und den Hund regelmäßig tierärztlich kontrollieren lassen.

Literatur

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