Akute hämorrhagische Gastroenteritis (Akute blutige Magen-Darm-Entzündung) bei Hunden

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Die akute hämorrhagische Gastroenteritis (AHG) ist ein klinisches Syndrom beim Hund, das durch plötzlich einsetzenden, meist blutigen Durchfall (Hämatochezie), Erbrechen, rasche Dehydratation und hohe Hämatokritwerte gekennzeichnet ist. Die Erkrankung ist potenziell lebensbedrohlich und bedarf einer schnellen und intensiven tiermedizinischen Behandlung. Besonders kleine Hunderassen sind überdurchschnittlich häufig betroffen, das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 2 und 5 Jahren. Die genaue Ursache ist unklar, allerdings wird eine gestörte Darmbarriere in Kombination mit bakteriellen Toxinen und immunologischen Faktoren vermutet.

Ursachen

  • Infektionen (Viren, Bakterien, Parasiten)
  • Toxische Substanzen
  • Stress
  • Allergische Reaktionen
  • Vorhandene Krankheiten, die das Immunsystem schwächen

Die genaue Ursache der HGE ist nicht abschließend geklärt. Vermutet wird ein Zusammenspiel aus bakteriellen Toxinen (beispielsweise Clostridium perfringens), Ernährungseinflüssen und Stressfaktoren. Rasse- und Individualdispositionen spielen eine Rolle, wobei kleine und Zwergrassen häufiger betroffen sein können. Die pathophysiologische Grundlage ist eine massive Entzündung der Darmschleimhaut mit Störung der Schleimhautbarriere.

 

Symptome

Die Krankheit beginnt typischerweise sehr plötzlich mit starkem Erbrechen, gefolgt von wässrigem, oft blutigem und übelriechendem Durchfall. Die Tiere sind schnell apathisch, zeigen Anorexie, Bauchschmerzen, einen gespannten Bauch und Zeichen der Dehydratation (trockene Schleimhäute, verlängerte Hautfaltentestzeit). Der Kreislauf kann innerhalb weniger Stunden entgleisen, was sich in Tachykardie, schwachem Puls und Hypothermie äußern kann. In schweren Fällen entwickelt sich eine hypovolämische Schockreaktion. Fieber ist selten, häufig ist die Körpertemperatur aufgrund der Dehydratation sogar erniedrigt. Die Schwere der Symptome steht nicht immer in direktem Zusammenhang mit dem Grad der Hämatochezie.

 

 

Diagnose

  • Eine eindeutige Diagnose stützt sich auf:
    Klinisches Bild: Heftiges Erbrechen, blutig-wässriger Durchfall, rasche Dehydration.
  • Blutbild: Hämatokrit-Wert meist erhöht, was auf eine Hämokonzentration hinweist.
  • Labordiagnostik: Elektrolyte, Gesamteiweiß und Entzündungsparameter zur Abschätzung der Schwere der Erkrankung.
  • Ausschluss anderer Ursachen wie Parvovirose, Fremdkörper oder akute Vergiftung durch bildgebende Verfahren (Röntgen, Ultraschall) und weitere Labortests (z. B. Parvovirus-Nachweis).

Die Diagnose basiert auf Anamnese, klinischem Bild und Laborbefunden. Typisch ist ein stark erhöhter Hämatokrit (>60 %) bei gleichzeitig normalem oder erniedrigtem Gesamteiweiß – ein Zeichen für eine massive Plasmaverluste durch die geschädigte Darmschleimhaut. Die Leukozytenzahl kann erhöht, normal oder erniedrigt sein, je nach Infektionsgrad und Immunantwort. In der Kotuntersuchung können Clostridium perfringens-Toxine (ELISA, PCR) oder andere pathogene Keime identifiziert werden. Eine Abdominalsonographie zeigt eine generalisierte Verdickung der Darmwand, hyperechogene Schleimhaut und freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle. Andere Ursachen für blutigen Durchfall, wie Parvovirose, Fremdkörper, hämorrhagische Pankreatitis oder Neoplasien, müssen ausgeschlossen werden.

Therapie

Die Behandlung zielt in erster Linie darauf ab, den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust auszugleichen. Ergänzend sind angezeigt:

  • Antiemetika gegen Erbrechen
  • Antibiotika bei bakteriellen Infektionen
  • Protonenpumpenhemmern oder H2-Blocker zum Schutz der Magenschleimhaut
  • Diätmanagement mit leicht verdaulichen Nahrungsmitteln

Die Therapie der AHG ist primär supportive und richtet sich nach dem Grad der Dehydratation und Kreislaufstörung. Eine aggressive Flüssigkeitstherapie (Ringer-Laktat mit Zusatz von Glukose, Kalium) ist essenziell, häufig unter Einsatz von intravenösen Infusionspumpen. In schweren Fällen kann eine Kolloidtherapie (z. B. Gelatinepräparate) zur Volumenstabilisierung erforderlich sein. Antiemetika wie Maropitant oder Metoclopramid kontrollieren das Erbrechen. Antibiotika sind nur bei Verdacht auf sekundäre bakterielle Translokation oder Nachweis spezifischer Erreger indiziert – z. B. Amoxicillin/Clavulansäure oder Metronidazol. Der orale Flüssigkeitsersatz wird nach Sistieren des Erbrechens wieder aufgenommen. Eine frühzeitige, leicht verdauliche Diät kann die Darmschleimhautregeneration unterstützen.

Prognose und Nachsorge

Die Prognose ist bei rascher, adäquater Behandlung in der Regel sehr gut. Viele Hunde erholen sich innerhalb von 48–72 Stunden vollständig. Verzögerte oder unzureichende Therapie kann jedoch zum hypovolämischen Schock und Tod führen. Eine engmaschige Überwachung der Vitalparameter, Flüssigkeitsbilanz und Blutwerte ist entscheidend. Nach Abklingen der akuten Phase sollte eine Diät über 7–10 Tage weitergeführt werden. Wiederholte Episoden sind selten, aber bei prädisponierten Tieren möglich – in solchen Fällen sollte eine weitere Abklärung auf immunologische oder mikrobiologische Ursachen erfolgen.

Zusammenfassung

Die akute hämorrhagische Gastroenteritis ist eine lebensbedrohliche, plötzlich auftretende Darmentzündung, die sich durch Erbrechen und blutigen Durchfall beim Hund äußert. Eine schnelle Diagnose, optimale Flüssigkeits- und Elektrolytversorgung sowie eine angepasste Ernährung sind die zentralen Bausteine der Therapie. Dank intensiver Forschung und moderner Diagnostik bestehen gute Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung, sofern die Therapie frühzeitig eingeleitet wird.

Ausblick auf aktuelle Forschung

Die aktuelle Forschung konzentriert sich auf die Rolle des intestinalen Mikrobioms und die Bedeutung von Clostridium perfringens (insbesondere NetF-positive Stämme) in der Pathogenese der AHG. Moderne molekulare Nachweisverfahren wie quantitative PCR und Next-Generation-Sequencing sollen helfen, pathogene Keime besser zu identifizieren. Neue immunmodulatorische Therapien oder probiotische Ansätze werden zur Stabilisierung der Darmbarriere erforscht. Auch der Einfluss der Ernährung auf die Mikrobiota und Darmschleimhautregeneration ist Gegenstand intensiver Studien.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

  1. Was genau ist HGE?
    HGE steht für akute hämorrhagische Gastroenteritis. Sie äußert sich beim Hund durch plötzlich auftretenden blutigen Durchfall und Erbrechen. Laut Ettinger und Feldman (Textbook of Veterinary Internal Medicine) wird dies als ein Notfall betrachtet, da massive Flüssigkeitsverluste auftreten können.
  2. Ist HGE ansteckend für andere Hunde?
    In vielen Fällen wird keine klassische Ansteckung wie bei viral bedingten Durchfallerkrankungen beobachtet. Dennoch sollte ein enger Kontakt mit anderen Hunden bei Verdacht auf bakterielle Mitverursacher eingeschränkt werden. Auf petsvetcheck.de wird empfohlen, Hygiene und Futtermanagement besonders sorgfältig einzuhalten.
  3. Wie schnell sollte ich zum Tierarzt gehen?
    Bei Verdacht auf HGE ist ein sofortiger Besuch beim Tierarzt ratsam. Bereits kurze Verzögerungen können den Gesundheitszustand des Hundes verschlechtern, da die Gefahr eines Kreislaufkollapses besteht.
  4. Kann ich dem Hund zu Hause helfen?
    In sehr leichten Fällen können Schonkost und ausreichende Flüssigkeitszufuhr Linderung bringen. Bei deutlichen Symptomen (blutiger Durchfall, starkes Erbrechen) ist jedoch eine klinische Behandlung unverzichtbar.
  5. Wird immer Antibiotikum eingesetzt?
    Nicht in jedem Fall. Die Gabe von Antibiotika erfolgt dann, wenn ein bakterielles Überwuchern oder schwere Begleitinfektionen vermutet werden. Der Tierarzt entscheidet anhand von Blutbildern und klinischen Befunden.
  6. Welche Rolle spielt die Ernährung bei HGE?
    Ernährungsumstellungen oder ungewohntes Futter können Auslöser sein. Eine leichte, gut verdauliche Kost unterstützt die Genesung, nachdem das Erbrechen kontrolliert ist. Manche Experten empfehlen spezielle Diäten, um den Darm zu entlasten.
  7. Ist eine Nachsorge nach überstandener HGE wichtig?
    Regelmäßige Kontrollen der Blutwerte sowie eine Beobachtung des Fress- und Kotabsatzverhaltens sind sinnvoll, um Rückfälle frühzeitig zu erkennen.
  8. Können bestimmte Rassen häufiger betroffen sein?
    Es gibt Hinweise, dass Toy- und Zwergrassen häufiger von HGE betroffen sind, jedoch kann die Erkrankung prinzipiell jeden Hund treffen. Die genauen Hintergründe hierfür sind nicht abschließend geklärt.
  9. Was passiert, wenn der Hund unbehandelt bleibt?
    Unbehandelte HGE kann zu schwerer Dehydration, Elektrolytstörungen und Kreislaufversagen führen. In akuten Fällen besteht Lebensgefahr. Ein sofortiger Tierarztbesuch ist daher unverzichtbar.
  10. Ist ein erneutes Auftreten der HGE möglich?
    Ja, Rückfälle sind nicht ausgeschlossen. Faktoren wie Stress, Futterumstellungen oder Infektionen können erneut eine HGE auslösen. Eine stabile Darmflora und vorsichtige Fütterungsregimes senken das Risiko.

Literatur

  1. Skotnitzki, E. (2023). Auftreten chronischer gastrointestinaler Symptome nach akutem hämorrhagischem Durchfall beim Hund (Doctoral dissertation, lmu).
  2. Busch, K., Wehner, A., Dorsch, R., Hartmann, K., & Unterer, S. (2014). Akuter blutiger Durchfall als Vorstellungsgrund bei einem Hund mit primärem Hypoadrenokortizismus. Tierärztliche Praxis Ausgabe K: Kleintiere/Heimtiere, 42(05), 326–330.
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  4. Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2017. Praktikum der Hundeklinik. 12., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219961-3
  5. Ettinger, S. J. und Feldman, E. C. (Hrsg.). Textbook of Veterinary Internal Medicine. 8. Aufl. St. Louis: Elsevier, 2017.
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  8. Plumb, D. C. Plumb’s Veterinary Drug Handbook. 9. Aufl. Stockholm, WI: PharmaVet, 2018.

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Einen interessanten Überblick zu Magen-Darm-Problemen bei Hunden, ergänzt durch Informationen zum Darm-Mikrobiom und der Bedeutung von Probiotika, können Sie hier finden:

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