Adrenokortikales Karzinom (Tumor der Nebennierenrinde) bei Hunden

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Das adrenokortikale Karzinom ist ein bösartiger, aggressiv wachsender Tumor der Nebennierenrinde, der zu einer Überproduktion bestimmter Hormone (z. B. Cortisol, Aldosteron) führen kann. Häufig äußert sich ein solcher Tumor durch das klinische Bild des Hyperadrenokortizismus (Cushing-Syndrom), wenn überschüssiges Cortisol produziert wird. Obwohl Tumoren der Nebennierenrinde bei Hunden seltener vorkommen als andere Neoplasien, stellen sie dennoch eine wichtige Differenzialdiagnose bei Cushing-ähnlichen Symptomen dar. Adrenokortikale Karzinome können auch hormonell inaktiv sein und durch ihre Größe oder Metastasierung Probleme verursachen.

Das Wichtigste auf einen Blick

Das adrenokortikale Karzinom ist ein seltener, aber aggressiver Tumor der Nebennierenrinde beim Hund, der häufig hormonell aktiv ist und klinisch mit einem Cushing-Syndrom einhergeht. Die primäre Therapie besteht in der chirurgischen Entfernung, welche eine präzise Diagnostik und spezialisierte operative Technik voraussetzt. In nicht operablen Fällen kann eine medikamentöse Kontrolle der Hormonproduktion erfolgen. Die Prognose hängt stark von der Metastasierung und Resektabilität (wie gut ein Tumor operativ entfernt werden kann) ab.

Ursachen

Die genauen Ursachen sind unbekannt, aber genetische Faktoren könnten eine Rolle spielen.

  • Hormonelle Dysregulation: Ein bösartiger Tumor in der Nebennierenrinde kann zu übermäßiger Cortisolproduktion führen. Seltenere Varianten produzieren Aldosteron oder Sexualhormone.
  • Genetische Faktoren: Während es bei Hunden keine klar definierte Rassedisposition für adrenokortikale Karzinome gibt, wird in Einzelfällen eine familiäre Häufung diskutiert. In der Humanmedizin sind Mutationen in Tumorsuppressor-Genen (z. B. TP53) bekannt, eine Übertragung auf die Veterinärmedizin wird erforscht.
  • Rasseprävalenz: Bestimmte Hunderassen wie Pudel, Dackel und Beagle zeigen häufiger Cushing-Syndrom – dieses ist jedoch zumeist hypophysär bedingt. Ein adrenokortikales Karzinom als Ursache ist zwar möglich, jedoch insgesamt seltener.

Die genaue Pathogenese adrenokortikaler Karzinome ist nicht abschließend geklärt. Genetische Faktoren, chronische hormonelle Dysregulationen sowie Umweltkarzinogene stehen im Verdacht, die Entstehung zu begünstigen. In der Humanmedizin ist eine familiäre Häufung im Rahmen von Tumorsyndromen beschrieben, beim Hund jedoch bislang nicht nachgewiesen. Hormonell aktive Karzinome können durch autokrine Stimulation des Wachstums beeinflusst sein. Adrenokortikale Adenome können entarten, ein Übergang in ein Karzinom ist jedoch selten belegt. Ein Zusammenhang mit früherer Glukokortikoidtherapie ist nicht eindeutig geklärt, aber Gegenstand laufender Forschung.

Symptome

Die Symptome variieren je nach Hormonaktivität und Tumorgröße. Bei hormonproduzierenden Tumoren stehen klinische Zeichen des Hyperadrenokortizismus im Vordergrund: Polyurie, Polydipsie, Polyphagie, symmetrischer Haarausfall, Hautatrophie, Muskelschwäche, vergrößertes Abdomen („Cushing-Bauch“), Lethargie und erhöhter Infektanfälligkeit. In einigen Fällen treten auch Symptome einer Hypertonie oder Thromboembolien auf. Bei nicht funktionellen Tumoren können abdominale Schmerzen, Palpation einer Raumforderung oder unspezifische Allgemeinsymptome wie Inappetenz, Erbrechen oder Gewichtsverlust beobachtet werden. Bei Infiltration der Vena cava caudalis kann es zu massiven Kreislaufstörungen oder einer venösen Stauung kommen.

Diagnose

  • Klinische Symptome: Typischerweise treten Polydipsie (vermehrtes Trinken), Polyurie (vermehrtes Urinieren), vermehrter Appetit, Haarausfall (Alopezie), dünne Haut und Bauchumfangszunahme auf. Bei Aldosteron-produzierenden Tumoren können zusätzlich Bluthochdruck und Muskelschwäche auftreten.
  • Laborparameter:
    • ACTH-Stimulationstest: zur Unterscheidung zwischen hypophysärem und adrenalem Cushing.
    • Low-Dose-Dexamethason-Suppressionstest (LDDS): Weist eine fehlende Cortisol-Suppression nach, was auf Hyperadrenokortizismus hindeutet.
    • Endogene ACTH-Messung: Niedriger ACTH-Spiegel kann auf einen adrenalen Tumor hinweisen.
  • Bildgebende Verfahren: Ultraschall oder CT/MRT der Nebennieren zeigen Größe und Beschaffenheit der Tumoren. Hierbei können bösartige Veränderungen (z. B. unregelmäßige Konturen, Einwachsen in Blutgefäße) auffallen.
  • Feinnadelaspiration/Histopathologie: Eine definitive Diagnose erfolgt mittels Gewebeuntersuchung nach operativer Entfernung oder in Ausnahmefällen per Biopsie.

Die Diagnosestellung erfolgt in mehreren Schritten. Hormonelle Aktivität wird durch endokrinologische Tests wie den ACTH-Stimulationstest oder den Low-Dose-Dexamethason-Suppressionstest (LDDS) geprüft. Ein positives Ergebnis weist auf Hyperadrenokortizismus hin, der durch einen adrenalen Ursprung abgeklärt werden muss. Bildgebende Verfahren wie Ultraschall und insbesondere CT sind essenziell zur Darstellung der Nebenniere, zur Beurteilung von Tumorgröße, Infiltration umliegender Strukturen (z. B. Vena cava) und zur Metastasensuche. Eine exakte Differenzierung zwischen Adenom und Karzinom ist bildgebend schwierig, erfolgt aber über die Größe (>2 cm), Invasivität und Vorliegen von Metastasen. Eine Biopsie wird aufgrund des Blutungsrisikos und möglicher Hormonfreisetzung nur selten durchgeführt.

Therapie

  • Chirurgische Entfernung des Tumors: Die chirurgische Entfernung des Tumors ist die Therapie der ersten Wahl, insbesondere bei Hunden ohne Anzeichen von Metastasen und mit einem gut resezierbaren Tumor. Sind nachweisliche Metastasen vorhanden oder ist der Tumor bereits in das venöse Blutgefäßsystem eingewachsen, wird in der Regel nicht mehr operiert.
  • Medikamentöse TherapieZiel ist, die Senkung der durch den Tumor verursachte gesteigerte Cortisolproduktion zu verringern. Ein mögliches Medikament ist TRILOSTAN.
  • Bestrahlungstherapie: Diese Form der Therapie wird in der Tiermedizin eher selten eingesetzt.
  • Eine immunologische Behandlung mit dendritischen Zellen wird empfohlen. Ein belastbarer Nachweis der Wirksamkeit steht allerdings noch aus.

Die Therapie der Wahl ist die chirurgische Entfernung der betroffenen Nebenniere (Adrenalektomie). Die Operation ist anspruchsvoll und erfordert eine sorgfältige präoperative Planung, speziell bei Invasion der Vena cava. Eine intraoperative Blutdrucküberwachung, intensive Flüssigkeitstherapie und postoperative Kortikoidsubstitution sind notwendig. Die perioperative Mortalität ist aufgrund der Nähe zu großen Gefäßen und potenziellen hormonellen Krisen erhöht. Bei nicht operablen oder metastasierten Tumoren kann eine medikamentöse Therapie mit Mitotan (o,p’-DDD) oder Trilostan zur Kontrolle der Kortisolproduktion eingesetzt werden. Diese Medikamente behandeln nicht den Tumor selbst, sondern seine hormonellen Folgen. Die Chemotherapie (z. B. Cisplatin, Doxorubicin) hat bislang keine überzeugenden Ergebnisse in der Tiermedizin geliefert, wird aber in Einzelfällen angewendet. Die Therapie muss individuell auf den Hund abgestimmt und wiederholt an die aktuelle Situation angepasst werden.

Prognose und Nachsorge

Die Prognose ist abhängig von:

  • Tumorstadium: Bei frühzeitiger Diagnose und erfolgreicher operativer Entfernung kann die Prognose recht günstig sein. Liegen jedoch bereits Metastasen in Leber, Lunge oder umliegenden Lymphknoten vor, verschlechtert sich die Lebenserwartung deutlich.
  • Rupturgefahr und Einblutungen: Größere Tumoren neigen zu Einblutungen oder Gefäßeinwachsungen, was das Komplikationsrisiko bei Operationen erhöht.
  • Langzeitüberleben: Bei solitärem Tumor und vollständiger Resektion leben manche Hunde noch Jahre. Bei fortgeschrittenen Befunden sind dagegen Monate bis ein Jahr realistischer.

Nachsorge

  • Regelmäßige Kontrollen: Postoperative Untersuchungen von Cortisolspiegeln, Blutdruck und allgemeinem Befinden sind essenziell. Bei medikamentöser Therapie (z. B. Trilostan) wird eine engmaschige Kontrolle der Hormone empfohlen.
  • Bildgebung: Röntgen/Ultraschall oder CT im 3- bis 6-monatigen Abstand zur frühzeitigen Erkennung von Metastasen oder Rezidiven.
  • Langfristiges Management: Je nach Hormonlage können lebenslange Medikationen nötig sein, zum Beispiel Glukokortikoidsubstitution nach Entfernung der hormonproduzierenden Nebenniere.

Die Prognose ist stark vom Tumorverhalten und dem chirurgischen Erfolg abhängig. Bei vollständiger Entfernung eines nicht metastasierten Karzinoms ist die mittlere Überlebenszeit deutlich verlängert (über 1 Jahr, teils bis 2 Jahre). Bei metastasierten oder nicht operablen Tumoren liegt die Überlebenszeit häufig unter 6 Monaten. Die Nachsorge umfasst regelmäßige endokrinologische Untersuchungen, bildgebende Kontrollen (alle 3–6 Monate) sowie die Überwachung von Blutdruck, Elektrolyten und Allgemeinstatus. Bei medikamentöser Therapie muss der Hormonstatus regelmäßig überprüft werden, um Über- oder Unterdosierungen zu vermeiden.

 

Ausblick auf aktuelle Forschung

Die Forschung konzentriert sich auf die molekularen Mechanismen der Tumorentstehung sowie auf neue medikamentöse Ansätze, insbesondere in der Hemmung der Steroidogenese. Inhibitoren der Cytochrom-P450-Enzyme, Immuntherapien und zielgerichtete Substanzen wie Tyrosinkinaseinhibitoren werden erprobt. Zudem gibt es laufende Studien zur genetischen Typisierung von Tumoren, um personalisierte Behandlungsstrategien zu entwickeln. Fortschritte in der bildgebenden Diagnostik (z. B. PET-CT) sollen künftig helfen, maligne Tumoren früher zu erkennen und besser zu differenzieren.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

1. Was ist ein adrenokortikales Karzinom beim Hund?

Ein adrenokortikales Karzinom ist ein bösartiger Tumor der Nebennierenrinde, der überschüssige Hormone (v. a. Cortisol) produzieren kann. Dieser Tumor führt häufig zu einem sogenannten Cushing-Syndrom, das laut Withrow & MacEwen’s Small Animal Clinical Oncology eine der häufigsten endokrinen Erkrankungen bei Hunden darstellt.

2. Welche Symptome deuten auf einen Nebennierentumor hin?

Typisch sind vermehrtes Trinken und Urinieren, Heißhunger, Haarausfall und eine dünne Haut. Auf petsvetcheck.de wird auch auf häufige Themen wie ein „hängender Bauch“ oder Muskelschwäche hingewiesen.

3. Wie wird ein adrenokortikales Karzinom diagnostiziert?

  • Hormonelle Tests (ACTH-Stimulation, LDDS-Test) zeigen eine gesteigerte Cortisolproduktion.
  • Bildgebung (Ultraschall, CT/MRT) ermittelt die Größe und Lage des Tumors.
  • Blutuntersuchungen (Elektrolyte, Leberwerte) helfen, das Gesamtbild zu beurteilen.
    Das BSAVA Manual of Canine and Feline Oncology empfiehlt zudem eine genaue Inszenierung (Staging), um Metastasen auszuschließen.

4. Welche Behandlungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung?

  • Operation (Adrenalektomie): Bei operablen Tumoren die beste Chance auf Heilung oder langfristige Kontrolle.
  • Medikamentöse Therapie (Trilostan, Mitotan): Bei inoperablen Fällen oder zur Stabilisierung der Cortisolwerte.
  • Supportive Pflege: Blutdrucksenkung, Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt überwachen.

5. Welche Risiken birgt eine Operation der Nebenniere?

  • Narkose- und Operationsrisiken: Blutungsgefahr, Verletzung großer Gefäße, Kreislaufprobleme durch veränderte Hormonspiegel.
  • Postoperative Komplikationen: Hypocortisolismus, Infektionen, Wundheilungsstörungen.
    Laut Slatter’s Textbook of Small Animal Surgery ist die Vor- und Nachsorge besonders kritisch, um Komplikationen zu minimieren.

6. Ist eine vollständige Heilung möglich?

Ja, sofern der Tumor früh erkannt und vollständig entfernt wird und keine Metastasen vorliegen. Jedoch bleibt die Gefahr von Rückfällen oder Metastasen bestehen, insbesondere bei invasiven Karzinomen.

7. Wie sieht die Prognose bei fortgeschrittenen Tumoren aus?

Bei bereits streuenden Tumoren ist die Prognose meist vorsichtig bis ungünstig. Trotz intensiver Therapie kann das Überleben meist auf Monate bis ein Jahr begrenzt sein. Die Lebensqualität lässt sich durch palliative Maßnahmen jedoch oft deutlich steigern.

8. Kann ein adrenokortikales Karzinom andere Hormone als Cortisol produzieren?

Ja, einige Tumoren bilden Aldosteron (führt zu Bluthochdruck und Elektrolytstörungen) oder seltener Androgene/Östrogene. Entsprechende Symptome müssen bei der Diagnosestellung berücksichtigt werden.

9. Gibt es vorbeugende Maßnahmen gegen adrenokortikale Karzinome?

Eine spezifische Vorbeugung ist nicht bekannt, da die Ursachen nicht eindeutig geklärt sind. Regelmäßige Gesundheitschecks, gerade bei älteren Hunden, können jedoch eine Früherkennung ermöglichen.

10. Wie kann ich meinen Hund nach der Operation unterstützen?

  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen (Blutdruck, Hormondiagnostik, Bildgebung).
  • Überwachung auf Symptome einer Unterfunktion (z. B. Abgeschlagenheit, Erbrechen).
  • Angemessene Fütterung und Ruhephasen zur Erholung.

Literatur

  • Kyles, A. E.; et al. Evaluation of surgical resection of adrenal tumors in dogs: 25 cases (1994–2001). Journal of the American Veterinary Medical Association, 2003, 223 (5), p. 654–662. DOI 10.2460/javma.2003.223.654.
  • Meuten, D. J. Tumors in Domestic Animals. 5th ed. Ames: Wiley-Blackwell, 2017. ISBN 978-1-119-18140-1.
  • Reusch, C. E.; Feldman, E. C. Adrenocortical tumors in dogs: diagnosis, treatment, and prognosis. Journal of Small Animal Practice, 2001, 42 (4), p. 199–206. DOI 10.1111/j.1748-5827.2001.tb02027.x.

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