Allergie (Überempfindlichkeitsreaktion) bei Hunden

Inhalt

Eine Allergie beim Hund ist eine Überempfindlichkeitsreaktion des Immunsystems gegenüber normalerweise harmlosen Umweltstoffen (Allergene). Es handelt sich um eine fehlgeleitete Immunantwort, die zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Histamin führt und je nach Allergietyp unterschiedliche Organsysteme betreffen kann. Allergien werden immunologisch in vier Typen unterteilt (nach Gell und Coombs):

  • Typ I (Soforttyp): IgE-vermittelt, z. B. bei Atopie oder Futtermittelallergie
  • Typ II (zytotoxisch): IgG-/IgM-vermittelt gegen körpereigene Strukturen
  • Typ III (Immunkomplex-Typ): z. B. allergische Vaskulitis
  • Typ IV (Spättyp, zellvermittelt): z. B. Kontaktallergie
    Beim Hund sind die häufigsten klinisch relevanten Allergien die atopische Dermatitis, die Futtermittelallergie und die Flohspeichelallergie.

Ursachen

Allergien beim Hund entstehen durch eine genetisch bedingte Disposition zur überschießenden Immunantwort (insbesondere bei Atopie) und durch wiederholte Exposition gegenüber bestimmten Antigenen. Zu den häufigsten Allergenen zählen:

  • Umweltallergene: Pollen, Hausstaubmilben, Schimmelpilze
  • Futtermittelallergene: v. a. tierische Proteine wie Rind, Huhn, Milchprodukte, Weizen
  • Parasitenallergene: Flohspeichel
  • Kontaktallergene: Kunststoffe, Reinigungsmittel, Gräser
    Rassen wie West Highland White Terrier, Golden Retriever, Boxer und Französische Bulldogge zeigen eine erhöhte Prävalenz für atopische Erkrankungen. Eine Sensibilisierung erfolgt meist im jungen Alter.

Symptome

Die Symptome variieren je nach Art der Allergie und betroffenem Organsystem. Typische klinische Anzeichen sind:

  • Hautveränderungen: Juckreiz (Pruritus), Rötung (Erythem), Papeln, Pusteln, Lichenifikation, Hyperpigmentierung, Alopezie
  • Otitis externa: häufig rezidivierend, ein- oder beidseitig
  • Gastrointestinale Symptome (v. a. bei Futtermittelallergie): Erbrechen, weicher Kot, Durchfall, Flatulenz
  • Atemwegssymptome: seltener, aber möglich bei inhalativen Allergenen
  • Sekundärinfektionen durch Bakterien (z. B. Staphylococcus pseudintermedius) oder Hefen (Malassezia pachydermatis)
    Bei der Flohspeichelallergie ist eine typische Lokalisation am Rücken („lumbosakral“) und an der Rutenbasis zu beobachten.

Diagnose

Die Diagnose einer Allergie erfolgt durch eine Kombination aus Anamnese, klinischem Bild und dem systematischen Ausschluss anderer Pruritusursachen (z. B. Ektoparasiten, Pyodermie, endokrine Erkrankungen).

  • Intrakutantest: zur Ermittlung spezifischer Umweltallergene (Atopie)
  • Serologischer IgE-Test: ELISA-basierte Tests, allerdings mit eingeschränkter Sensitivität
  • Eliminationsdiät: Goldstandard zur Diagnostik von Futtermittelallergien, über mindestens 8 Wochen mit anschließender Provokation
  • Flohkontrolle: bei Verdacht auf Flohspeichelallergie durch strikte antiparasitäre Therapie
    Eine sichere Diagnosestellung erfordert Geduld, konsequentes Ausschlussverfahren und ggf. dermatologische Betreuung.

Therapie

Die Behandlung der Allergie beim Hund basiert auf drei Säulen:

  • Vermeidung des Allergens: bei identifizierten Auslösern (z. B. durch Diät, Flohprophylaxe, Allergenreduktion im Haushalt)
  • Symptomatische Therapie:
    • Antihistaminika (begrenzte Wirksamkeit)
    • Kortikosteroide (effektiv, aber nicht zur Langzeitanwendung ohne Kontrolle)
    • Lokale Pflegeprodukte: medizinische Shampoos, Pflegelotionen
    • Immunmodulatoren: Ciclosporin A, Oclacitinib (Apoquel®), Lokivetmab (Cytopoint® – monoklonaler Antikörper gegen IL-31)
  • Hyposensibilisierung (ASIT): spezifische Immuntherapie mit dem Ziel, die Toleranz gegenüber Umweltallergenen zu fördern. Erfolgsrate bei Atopie: 60–70 %
    Bei Futtermittelallergien ist eine dauerhafte Fütterung mit einer verträglichen Diät erforderlich.

Prognose und Nachsorge

Die Prognose ist abhängig von der Allergieform und dem Management. Eine Heilung ist nicht möglich, jedoch lassen sich durch konsequente Therapie Lebensqualität und Symptomfreiheit in den meisten Fällen erreichen. Die Nachsorge umfasst regelmäßige dermatologische Kontrollen, Anpassung der Medikation sowie Beobachtung auf neue Auslöser oder Sekundärinfektionen. Eine langfristige Betreuung durch den Tierarzt ist entscheidend für den Erfolg.

Zusammenfassung

Allergien beim Hund sind häufige, chronische Erkrankungen mit meist dermatologischen und/oder gastrointestinalen Symptomen. Sie entstehen durch eine Überreaktion des Immunsystems auf Umwelt- oder Nahrungsantigene. Die Diagnose erfordert ein systematisches Vorgehen, die Therapie ist multimodal und individuell anzupassen. Durch frühzeitige Identifikation und Management kann in den meisten Fällen eine gute Lebensqualität erreicht werden.

Ausblick auf aktuelle Forschung

Forschungsschwerpunkte liegen in der Entwicklung neuer Biologika (z. B. anti-IL-5, anti-IL-13), der genetischen Charakterisierung betroffener Rassen, der Mikrobiom-Analyse bei atopischer Dermatitis und der Etablierung präventiver Strategien in der Welpenzeit. Auch personalisierte Immuntherapien und DNA-basierte Allergieprognosemodelle befinden sich in Entwicklung.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

  1. Sind Allergien beim Hund heilbar?
    Nein, aber sie sind in der Regel gut behandelbar.
  2. Ab welchem Alter treten Allergien auf?
    Meist zwischen dem 6. Lebensmonat und dem dritten Lebensjahr.
  3. Welche Rassen sind besonders betroffen?
    West Highland White Terrier, Boxer, Labrador Retriever, Französische Bulldogge u. a.
  4. Kann mein Hund plötzlich neue Allergien entwickeln?
    Ja, neue Sensibilisierungen können im Laufe des Lebens entstehen.

Literatur

  1. Rade, C. (2015). Futtermittelallergie bei Hund und Katze. Team Konkret, 11(01), 14-15. https://doi.org/10.1055/s-0034-1396262
  2. Willemse, T. (1998). Klinische Dermatologie: Hund & Katze; Leitfaden für Diagnostik und Therapie. Schattauer Verlag.
  3. Reedy, L. M., Miller, W. H., & Willemse, T. (2002). Allergische Hauterkrankungen bei Hund und Katze. Schlütersche.
  4. Mueller, R. S. (2023). A systematic review of allergen immunotherapy, a successful therapy for canine atopic dermatitis and feline atopic skin syndrome. Journal of the American Veterinary Medical Association, 261(S1), S30-S35.
  5. Griffin, C. E.; DeBoer, D. J. (2001): The ACVD task force on canine atopic dermatitis (IV): Environmental allergens. Veterinary Immunology and Immunopathology, 81(3–4), 231–236.
  6. Olivry, T. et al. (2010): Treatment of canine atopic dermatitis: 2010 clinical practice guidelines. Veterinary Dermatology, 21(3), 233–248.
  7. Scott, D. W.; Miller, W. H.; Griffin, C. E. (2001): Muller & Kirk’s Small Animal Dermatology. 6. Auflage. Saunders.

Inhalt

Download/Drucken