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Eisenhut ist eine der giftigsten Pflanzen in Europa. Alle Pflanzenteile sind sehr stark giftig +++.
Die toxisch wirkenden Substanzen sind verschiedene Diterpenalkaloide (Aconitin) und Isochinolinalkaloide.

Der Eisenhut (Aconitum napellus) zählt zu den giftigsten Gartenpflanzen überhaupt. Schon der lateinische Name „Aconitum“ weist auf seine letalen Wirkungen hin: In der Antike galt er als Kriegsgift. Heute finden sich Eisenhut-Pflanzen oft in Gehölzrandbepflanzungen, Zierbeeten und als Schnittblume im Strauß. Für Hunde und Katzen kann der Kontakt oder die orale Aufnahme bereits in geringster Menge tödlich sein. Die Vergiftung durch Eisenhut verläuft rasch und führt zu schweren Herz-Kreislauf- und ZNS-Störungen. Eine frühzeitige Erkennung und sofortige Therapie sind essenziell, um das Überleben des Tieres zu sichern.

Ursachen, Entstehung und Verlauf

Geschädigt werden insbesondere die Haut und die Schleimhaut des Magen-Darm-Traktes sowie die Bindehäute.
Von den Organsystemen sind vornehmlich das Herz-Kreislaufsystem, das Nervensystem und die Nieren betroffen.

Haustiere können auf verschiedene Weise mit Eisenhut in Kontakt kommen:

  1. Direkte orale Aufnahme
    • Beim Herumstöbern im Garten oder Park
    • Durch Kauen an Blättern, Blüten, Wurzeln oder Samen
  2. Sekundäre Aufnahme
    • Fressen von toten Nagetieren oder Vögeln, die Pflanzenteile aufgenommen haben
    • Belecken kontaminierter Hände oder Gegenstände nach Gartenarbeiten
  3. Falscher Einsatz als Heilpflanze
    • Einige Halter versuchen, Eisenhut homöopathisch oder naturheilkundlich anzuwenden – eine fatale Fehlannahme, da schon winzige Mengen zu Intoxikationen führen.

Besonders Welpen sind gefährdet, weil sie gerne unbekannte Pflanzenteile erkunden. Katzen hingegen sind wählerischer, aber durch ihr intensives Putzverhalten können sie über kontaminierte Pfoten vergiftet werden.

Wirkungsmechanismus

Das Aconitin wird über die Haut und über Schleimhäute leicht resorbiert und kann schnell das Gehirn erreichen.
Aconitin erhöht zunächst die Erregbarkeit von Nervenzellen und führt später zu Lähmungen.
Aconitin beeinflusst die Funktion des Herz-Kreislauf-Systems und verursacht Blutdruckabfall, Abfall der Herzfrequenz und Herzarrhythmien.
Die Arrhythmien sind auch teilweise Folge eines anticholinergen Effektes von Aconitin. Ein Herzstillstand ist möglich.

Ergänzung

Der Hauptwirkstoff des Eisenhuts ist das Aconitin, ein hochwirksames Diterpenalkaloid. Weitere verwandte Alkaloide sind Mesaconitin, Hypaconitin und Benzoylaconin. Diese Substanzen entfalten ihre Toxizität primär über folgende Mechanismen:

  1. Modulation spannungsabhängiger Natriumkanäle
    • Aconitin bindet irreversibel an Natriumkanäle in Nervenzellen und Kardiomyozyten.
    • Es verhindert ihre Inaktivierung, sodass ein permanenter Natriumeinstrom
    • Folge: anhaltende Depolarisation, Refraktärperioden verlängert, Chronotropie und Dromotropie massiv gestört.
  2. Herz-Kreislauf-Effekte
    • Anhaltende Depolarisation der Kardiomyozyten führt zu Arrhythmien (Extrasystolen, Kammerflimmern) und schließlich Herzstillstand.
    • Periphere Vasodilatation und Hypotonie durch gestörte glatte Gefäßmuskulatur.
  3. Zentrales Nervensystem (ZNS)
    • Übererregung cholinerger und adrenerger Neurone im ZNS → Muskelzittern, Krämpfe, Atemlähmung.
    • Aconitin kann die Blut-Hirn-Schranke
  4. Autonome Dysregulation
    • Überstimulation parasympathischer und sympathischer Bahnen → Salivation, Brady- oder Tachykardie, Schweißsekretion.

Die Pharmakokinetik ist gekennzeichnet durch rasche Resorption (innerhalb von 10–30 Minuten) und weite Verteilung in Gefäßsystem und Geweben. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt mehrere Stunden, die Toxine sind stark protein­gebunden.

Symptome einer Intoxikation

Die lokale Reizung von Haut und Schleimhäuten äußert sich in

  • Speichelfluss
  • Erbrechen
  • Durchfall, teils blutig
  • Bauchkrämpfen.

Die Auswirkungen auf das Nervensystem und das Herz sind

  • Unruhe
  • Ataxie
  • Krämpfe
  • Blutdruckabfall
  • Abnahme der Herzfrequenz
  • Herzrhythmusstörungen
  • Lähmungen.

Der Verlauf einer Intoxikation ist rasant. Bereits nach wenigen Minuten treten die ersten Symptome auf. Der Tod tritt durch Atemlähmung oder Herzstillstand ein.
Die LD beträgt beim Hund 7,5 mg Aconitin/kg Körpermasse.
Die toxische Dosis, d. h. die Dosis, wo mit Symptomen zu rechnen ist, liegt je nach Größe des Tieres zwischen 2,5 und 5 g getrocknete Pflanze / kg Körpermasse.

Ergänzung

Die Symptomatik beginnt oft schon innerhalb von 15–60 Minuten nach Aufnahme und verläuft in mehreren Phasen:

Frühphase (0,25–2 h)

  • Gastrointestinal: Erbrechen, Hypersalivation, Abdominalkrämpfe
  • ZNS: Unruhe, Zittern, Koordinationsstörungen

Akute Phase (2–6 h)

  • Herz-Kreislauf: Tachykardie oder Bradykardie, arrhythmische Extrasystolen, Hypotonie
  • Neuromuskulär: Muskelkrämpfe, Ataxie, Tremor

Krise (6–12 h)

  • Kardiovaskulär: Kammerflimmern, AV-Block, Herzstillstand
  • Respiratorisch: Atemlähmung, Zyanose
  • ZNS: Koma, Bewusstseinsverlust

Spätphase (>12 h)

  • Organkompromittierung durch Hypoxie
  • Multiorganversagen

Ohne umgehende Therapie endet die Vergiftung in der Regel tödlich.

Diagnose

Die Diagnose basiert auf Anamnese, Klinik und laborchemischer sowie kardiologischer Befunderhebung:

  1. Anamnese
    • Gartenaufenthalt, Fund von Pflanzenteilen
    • Zeitlicher Zusammenhang mit Symptombeginn
  2. Klinische Untersuchung
    • Erbrechen, Speichelfluss, Mydriasis
    • Herzfrequenz und -rhythmus, Schleimhäute
  3. EKG
    • Erkennung von Arrhythmien, Extrasystolen, AV-Block
  4. Labor
    • Elektrolyte, Blutgase (metabolische Azidose)
    • Leberenzyme, Kreatinin (Sekundärschäden)
  5. Toxikologische Nachweise
    • Aconitin-Spiegel im Serum, Urin oder Mageninhalt (Speziallabor)

Bei einem Verdacht sollte sofort behandelt werden, noch bevor die Ergebnisse des Toxinscreenings vorliegen.

Therapeutische Prinzipien

Eisenhutintoxikationen verlaufen häufig tödlich.
Ein spezielles Antidot gibt es nicht.
Die möglichst schnelle Dekontamination ist die wichtigste, eventuell lebensrettende Maßnahme.
Da die Aufnahme des Giftes auch über die Haut möglich ist, ist zur Dekontamination eine gründliche Reinigung des Felles und der Haut besonders wichtig.
Ausgiebiges Abduschen und Shampoonieren des Tieres schützt auch den Tierbesitzer vor dem eigenen Kontakt mit dem Pflanzengift über die Haut.
Es sollten Handschuhe getragen werden.
Auslösen von Erbrechen, Magenspülung, Aktivkohle in wiederholten Gaben und Beschleunigung der Darmpassage sind angezeigt.
Auch dabei ist auf die Schutzmaßnahmen der handelnden Personen zu denken. Ein direkter Kontakt mit Erbrochenem und dergleichen ist unbedingt zu vermeiden.
Die symptomatische Therapie beginnt unter Umständen mit der Reanimation und konzentriert sich danach hauptsächlich auf die Therapie der Herzrhythmusstörungen.

Ergänzung

Es existiert kein spezifisches Antidot gegen Aconitin. Die Therapie ist rein symptomatisch und intensivmedizinisch:

1. Sofortmaßnahmen

  • Erbrechen auslösen (≥ 15 Minuten post-Intoxikation, kein Atemwegsrisiko)
  • Aktivkohle (1–3 g/kg p.o.), mehrmals im Abstand von 4 bis 6 h
  • Magenspülung bei hoher Dosis und stabilem Kreislauf

2. Kardiologische Stabilisierung

  • Atropin (0,02–0,04 mg/kg i.v.) gegen Bradykardie
  • Lidocain (2 mg/kg i.v.) oder Procainamid bei ventrikulären Arrhythmien
  • Magnesiumsulfat (20–40 mg/kg i.v.) bei Kammerflimmern

3. Neurologische Kontrolle

  • Benzodiazepine (z. B. Diazepam 0,5 mg/kg) bei Krampfanfällen
  • Barbiturate (Phenobarbital) bei refraktären Krämpfen
  • Mannitol oder Hypertones NaCl (3 %) zur Reduktion zerebraler Ödeme

4. Intensivmedizinische Unterstützung

  • Flüssigkeitstherapie (Ringer-Laktat, 10–20 ml/kg/h)
  • Vasopressoren (z. B. Dopamin) bei refraktärer Hypotonie
  • Beatmung bei Ateminsuffizienz

5. Zusatzmaßnahmen

  • Herzüberwachung (Dauer-EKG)
  • Blutgasanalyse, Elektrolytkontrolle jede 2–4 h
  • Kreislaufüberwachung, Urinausstoß

Nur in spezialisierten Kliniken verfügbar ist die experimentelle Anwendung antikonvulsiver Immuntherapie (Antikörper gegen Aconitin), jedoch bisher ohne Evidenz in der Praxis.

Prognose

Intoxikationen mit Aconitin verlaufen häufig tödlich und führen teilweise nur wenige Stunden nach einer Giftaufnahme zum Tod des Tieres.

Die Prognose ist vorsichtig bis schlecht, abhängig von der Dosis und der Zeit bis zur Therapie:

Parameter Prognose
< 2 g Nadeln/kg KG Bei rascher Therapie eher günstig
> 2 g Nadeln/kg KG Hohe Letalität
Symptome > 2 h unbearbeitet Sehr ungünstig

Nachsorge:

  • Stationäre Überwachung mindestens 48 Stunden
  • Kontinuierliche EKG- und Kreislaufkontrolle
  • Elektrolyt- und Blutgaskontrolle alle 4–6 h
  • Unterstützung von Leber und Niere bei Sekundärschäden
  • Eventuell physiotherapeutische Begleitung nach neurologischen Ausfällen

Zusammenfassung

  • Eisenhut (Aconitum napellus) zählt zu den giftigsten einheimischen Pflanzen.
  • Bereits 1–2 g Nadeln/kg KG können tödlich wirken.
  • Taxin A/B blockiert Natrium- und Kalziumkanäle → Arrhythmien, Krämpfe, Atemstillstand.
  • Keine Antidote verfügbar – Therapie rein symptomatisch und intensivmedizinisch.
  • Frühe Intervention entscheidend, Prognose bei rascher Behandlung besser.
  • Prävention durch Entfernen der Pflanze aus Gärten und Aufklärung von Tierhaltern.

Ausblick auf Forschung

Aktuelle Forschungsansätze zur Verbesserung von Diagnose und Therapie:

  1. Antidot-Entwicklung
  • Suche nach hochaffinen Aconitin-Antikörpern
  • Molekulare Inhibitoren für Natriumkanalbindung
  1. Pharmakokinetische Studien
  • Resorptions- und Eliminationsprofile bei verschiedenem Alter, Rasse, Geschlecht
  1. Schnelltests
  • Point-of-Care-Nachweise von Aconitin in Blut oder Urin
  1. Klinische Studien
  • Optimierung von Antiarrhythmika-Protokollen
  • Vergleich von Benzodiazepinen vs. Barbituraten beim Krampfmanagement
  1. Prävention
  • Entwicklung sicherer Gartenpflanzen-Alternativen
  • Aufklärungskampagnen für Hundebesitzer und Katzenhalter

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

  1. Ist alle Pflanze des Eisenhuts giftig?
    Ja, Nadeln, Blüten, Samen, Wurzeln – nur der rote Samenmantel ist ungiftig.
  2. Wie schnell treten erste Symptome auf?
    Oft schon innerhalb von 15–60 Minuten nach Aufnahme.
  3. Wie viel Eisenhut ist tödlich?
    Bereits 1–2 g Nadeln pro Kilogramm Körpergewicht beim Hund.
  4. Was tun bei Verdacht?
    Sofort Tierarzt aufsuchen, Erbrechen nur auf Anweisung, Aktivkohle.
  5. Gibt es ein Gegenmittel?
    Nein, Behandlung ist rein symptomatisch und intensivmedizinisch.
  6. Welche Symptome zeigen sich zuerst?
    Erbrechen, Speichelfluss, Muskelzittern, danach Herzrhythmusstörungen.
  7. Kann mein Tier sich komplett erholen?
    Ja, bei sehr frühzeitiger und intensiver Therapie sind Heilungschancen gegeben.
  8. Sind Katzen auch gefährdet?
    Ja, Katzen können durch Belecken kontaminierter Pfoten vergiftet werden.
  9. Wie vermeide ich eine Vergiftung?
    Eisenhut nicht im Garten pflanzen oder für Haustiere unzugänglich machen.
  10. Werden langfristige Schäden zurückbleiben?
    Bei überstandener akuter Phase ohne Organschäden meist keine Langzeitfolgen.

Literatur

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  • Müller, M. (2019). Gefährliche Gartenpflanzen für Haustiere: Ein Überblick. Vet Journal, 33(4), S. 112–117.
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  • Gwaltney-Brant, S. (2012): Toxic plants. In: Peterson, M.E.; Talcott, P.A. (eds.): Small Animal Toxicology, 3rd ed., Elsevier, pp. 364–377.
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  • Löwe G, Löwe O. Vergiftungen bei Hund und Katze – Ein tierärztlicher Ratgeber. 2. Auflage. Kreuztal: Kynos-Verlag. 2021; 208 S.