Amaryllis (Hippeastrum spp.)

Inhalt

Die üblicherweise als Topfpflanze oder als Bestandteil von Blumensträußen verwendeten Amaryllisarten oder auch Rittersterne genannt sind laut Liste der ASPCA (Die amerikanische Gesellschaft zur Verhütung von Tierquälerei) für Hunde und Katzen stark giftig ++
Das Toxin (Lycorin) befindet sich hauptsächlich in der Zwiebel. 
Es ist auch in anderen Arten der Amaryllisgewächse enthalten. Dazu zählen unter anderem:

  • Clivia (Klivie, Riemenblatt) 
  • Galanthus (Schneeglöckchen)
  • Hymenocallis (Schönhäutchen) 
  • Leucojum (Märzenbecher) 
  • Narcisseae (Narzisse)

Die Amaryllis (Hippeastrum spp.) zählt aufgrund ihrer auffälligen, großen und farbenprächtigen Blüten zu den besonders beliebten Zimmerpflanzen. Vor allem in der Winterzeit, zu Weihnachten, wird sie häufig verschenkt und in Wohnräumen aufgestellt. Weniger bekannt ist jedoch ihre hohe Giftigkeit für Haustiere wie Hunde und Katzen. Sämtliche Pflanzenteile, insbesondere die Zwiebel, enthalten stark toxische Inhaltsstoffe, die bei Aufnahme zu einer ernsthaften Vergiftung führen können. Aufgrund der weiten Verbreitung in Haushalten sollten Tierbesitzer unbedingt über die Risiken und Gefahren einer Vergiftung mit Amaryllis informiert sein.

Ursachen, Entstehung und Verlauf

Die toxischen Alkaloide, insbesondere Lycorin, bewirken lokale Entzündungen (Kontaktdermatitis) und führen bei oraler Aufnahme zu Reizungen und Entzündungen an den Schleimhäuten sowie zu Störungen im Nervensystem.

Hauptursache einer Vergiftung durch Amaryllis bei Hunden und Katzen ist die orale Aufnahme der Pflanze, hauptsächlich der Zwiebeln, Blätter oder Blüten. Besonders Welpen, junge Hunde oder neugierige Katzen sind gefährdet, da sie gerne an Pflanzen knabbern oder mit ihnen spielen.

Alle Pflanzenteile enthalten toxische Substanzen wie Lycorin und andere Alkaloide, die stark reizend auf Magen, Darm und Nervensystem wirken. Der Vergiftungsverlauf ist meist akut, und die ersten Symptome treten häufig innerhalb von ein bis zwei Stunden nach der Aufnahme auf. Je größer die aufgenommene Menge, desto schwerer der Vergiftungsverlauf. Katzen sind allgemein empfindlicher als Hunde und zeigen oft schneller und heftigere Symptome.

Wirkungsmechanismus

Lycorin ist ein Cholinesterase- oder Acetylcholinesterase (AChE) -Hemmer.
Das bedeutet, der Abbau von Acethylcholin wird durch Lycorin gehemmt, sodass der Neurotransmitter Acetylcholin länger an den Synapsen vorliegt und länger wirksam ist. Synapsen sind die Übertragungsübergänge zwischen Nervenzellen oder zwischen Nerven- und Muskelzellen.
Bei Intoxikation mit Cholinesterasehemmern wird dieser Vorgang so weit gesteigert, dass überschießende, toxische Symptome entstehen. Es entsteht eine sogenannte cholinerge Krise.
Bei Beagle-Hunden subkutan verabreichtes Lycorin führte ab einer Dosis von 0,5 mg / kg Körpermasse nach ca. von 2,5 h zu Übelkeit und Erbrechen. Die Wirkung ist nur von kurzer Dauer. Mit steigender Dosierung nahmen die Symptome zu.

Symptome einer Intoxikation

Die Symptome einer Amaryllis-Vergiftung können in drei Hauptkategorien eingeteilt werden:

Lokale Symptome betreffen primär den Verdauungstrakt und umfassen verstärkten Speichelfluss (Hypersalivation), Tränenfluss, Erbrechen, Durchfall und Kolikschmerzen. Diese Symptome treten häufig als erste Anzeichen einer Vergiftung auf, da die reizenden Substanzen direkt mit den Schleimhäuten in Kontakt kommen.

Neurologische Symptome entstehen durch die Wirkung des Lycorin auf das Nervensystem und äußern sich in Ataxie (Bewegungsstörungen), Benommenheit, Gangunsicherheiten, Zittern, Krämpfen und in schweren Fällen Lähmungserscheinungen bis zum Koma. Diese Symptome entwickeln sich typischerweise nach den lokalen Symptomen und deuten auf eine fortgeschrittene Vergiftung hin.

Kardiovaskuläre Symptome betreffen das Herz-Kreislauf-System und manifestieren sich als Herzrhythmusstörungen, Blutdruckabfall (Hypotonie) und verringerte Herzfrequenz (Bradykardie). Diese Symptome können lebensbedrohlich sein und erfordern sofortige tierärztliche Behandlung.

Die Intensität und der zeitliche Verlauf der Symptome hängen von der aufgenommenen Menge, dem betroffenen Pflanzenanteil und der individuellen Empfindlichkeit des Tieres ab. Kleinere Tiere können bereits bei geringeren Mengen schwerwiegendere Symptome zeigen.

Lokale Symptome sind:

  • Speichelfluss
  • Tränenfluss
  • Erbrechen
  • Durchfall
  • Kolik

Von Schäden am Nervensystem verursacht:

  • Ataxie
  • Benommenheit
  • Gangunsicherheiten
  • Zittern
  • Krämpfe
  • Lähmungen
  • Koma

Störungen am Herz-Kreislauf-System sind:

  • Herzrhythmusstörungen
  • Blutdruckabfall
  • Abfall der Herzfrequenz.

Die Symptome treten rasch auf und können je nach aufgenommener Menge unterschiedlich stark ausgeprägt sein.

Symptome beim Hund:

  • Starkes Speicheln (Hypersalivation)
  • Heftiges Erbrechen, teils mehrfach und anhaltend
  • Durchfall, teilweise blutig oder wässrig
  • Bauchschmerzen, Unruhe oder Apathie
  • Schwäche, allgemeines Unwohlsein
  • Appetitlosigkeit und Verweigerung von Wasseraufnahme
  • Zittern und leichte Koordinationsprobleme
  • In schweren Fällen Herzrhythmusstörungen, Atemprobleme, Krämpfe, Bewusstseinsverlust

Symptome bei der Katze:

  • Massives Speicheln unmittelbar nach Kontakt mit der Pflanze
  • Starkes Erbrechen, oft mit Blutbeimengungen
  • Rasch auftretender Durchfall
  • Massive Bauchschmerzen, Unruhe oder extreme Apathie
  • Neurologische Auffälligkeiten wie starkes Zittern oder Krämpfe
  • Koordinationsstörungen, Desorientierung
  • Schnelle Verschlechterung des Allgemeinzustandes, Gefahr von Nieren- und Leberschäden bei größeren Mengen

Diagnose

Die Diagnose einer Amaryllis-Vergiftung basiert primär auf der Anamnese und dem klinischen Bild. Der Tierarzt wird zunächst nach möglichen Kontakten des Tieres mit der Pflanze fragen und nach Hinweisen auf ein Kauen oder Verschlucken von Pflanzenteilen suchen. Pflanzenreste im Erbrochenen oder an der Schnauze des Tieres können wichtige diagnostische Hinweise liefern.

Die klinische Untersuchung umfasst die Beurteilung der Vitalparameter wie Herzfrequenz, Atemfrequenz und Körpertemperatur sowie eine neurologische Untersuchung zur Bewertung von Reflexen, Bewusstseinszustand und Koordination. Laboruntersuchungen, insbesondere Blutbild und Blutchemie, können helfen, den Schweregrad der Vergiftung zu beurteilen und Organschäden zu identifizieren.

In unklaren Fällen kann eine toxikologische Analyse von Mageninhalt, Erbrochenen oder Blut durchgeführt werden, um die Präsenz von Lycorin nachzuweisen. Dies ist jedoch in der Praxis selten notwendig und wird hauptsächlich in Forschungskontexten oder bei forensischen Untersuchungen eingesetzt.

Die Differenzialdiagnose umfasst andere Cholinesterase-Hemmer wie Organophosphat-Insektizide, Carbamate und bestimmte Medikamente, sowie andere Pflanzenvergiftungen mit ähnlicher Symptomatik.

Therapeutische Prinzipien

Ein direktes Antidot gibt es nicht. Doch Atropin kann zur Antagonisierung verwendet werden.
Die Dekontamination, um eine weitere Toxinaufnahme zu verhindern, erfolgt vorrangig durch das Auslösen von Erbrechen und die Eingabe von Aktivkohle.
Intensivere Maßnahmen sind in den seltensten Fällen notwendig.
Ansonsten erfolgt eine symptomatische Therapie.
Neben Atropin zur Antagonisierung werden Mittel gegen Krämpfe (Antikonvulsiva) eingesetzt. Bei Vorliegen von Erbrechen wird über eine Infusionstherapie ein Ausgleich der Defizite herbeigeführt und bei unstillbarem Erbrechen entsprechende, das Brechzentrum dämpfende, Mittel eingesetzt.
Bei einem deutlichen Blutdruckabfall ist, sofern zunächst nicht als notwendig erachtet, Atropin indiziert.

Prognose

Die Prognose bei Amaryllis-Vergiftungen ist in den meisten Fällen gut bis sehr gut, besonders wenn eine frühzeitige tierärztliche Behandlung erfolgt. Der unangenehme Geschmack der Pflanze hält Hunde und Katzen häufig davon ab, größere Mengen zu konsumieren, was das Risiko schwerer Intoxikationen reduziert. Die meisten Tiere erholen sich innerhalb von 24–48 Stunden vollständig, wenn eine adäquate Behandlung eingeleitet wird.

Bei schweren Vergiftungen mit ausgeprägten neurologischen oder kardiovaskulären Symptomen kann die Genesung länger dauern, und es besteht ein erhöhtes Risiko für Komplikationen. In seltenen Fällen können anhaltende Organschäden, insbesondere an der Leber oder den Nieren, auftreten.

Die Nachsorge umfasst regelmäßige Kontrollen der Vitalfunktionen und gegebenenfalls Laboruntersuchungen zur Überwachung der Organfunktionen. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und leicht verdauliche Nahrung sollten gewährleistet werden. In den ersten Tagen nach der Vergiftung sollte das Tier ruhig gehalten und körperliche Anstrengung vermieden werden.

Zur Prävention weiterer Vergiftungsfälle sollten Tierhalter alle giftigen Pflanzen identifizieren und außerhalb der Reichweite ihrer Haustiere platzieren oder durch ungiftige Alternativen ersetzen.

Zusammenfassung

Die Amaryllis-Vergiftung bei Hunden und Katzen wird durch das Alkaloid Lycorin verursacht, das als Cholinesterase-Hemmer wirkt und zu einer Überstimulation des parasympathischen Nervensystems führt. Alle Pflanzenteile sind giftig, wobei die Zwiebel die höchste Konzentration an Toxinen enthält.

Die Symptomatik umfasst lokale Reizungen des Verdauungstrakts, neurologische Störungen und kardiovaskuläre Symptome, deren Schweregrad von der aufgenommenen Menge und der individuellen Empfindlichkeit abhängt. Die Diagnose basiert hauptsächlich auf der Anamnese und dem klinischen Bild.

Die Therapie konzentriert sich auf Dekontamination, symptomatische Behandlung mit Atropin als Antagonist und unterstützende Maßnahmen. Die Prognose ist bei frühzeitiger Behandlung gut, und die meisten Tiere erholen sich vollständig. Präventive Maßnahmen wie die sichere Aufbewahrung von Amaryllis und anderen giftigen Pflanzen sind entscheidend, um Vergiftungen zu vermeiden.

Ausblick auf Forschung

Die Forschung zu Pflanzenvergiftungen bei Haustieren entwickelt sich kontinuierlich weiter. Aktuelle Studien untersuchen die genauen Wirkmechanismen von Lycorin auf zellulärer Ebene, um spezifischere Behandlungsansätze zu entwickeln. Interessanterweise zeigt Lycorin auch potenzielle therapeutische Eigenschaften, darunter antivirale, antibakterielle und antitumorale Wirkungen, die in der Humanmedizin erforscht werden.

Neue Ansätze in der Toxikologie konzentrieren sich auf die Entwicklung schnellerer und präziserer Diagnosemethoden für Pflanzenvergiftungen. Biomarker im Blut oder Urin könnten künftig eine frühere Erkennung und bessere Einschätzung des Schweregrades ermöglichen.

Im Bereich der Therapie werden alternative Dekontaminationsmittel erforscht, die eine effizientere Bindung von Pflanzentoxinen ermöglichen als herkömmliche Aktivkohle. Zudem werden neue Formulierungen von Antiemetika und Gastroprotektiva entwickelt, die speziell auf die Bedürfnisse von Hunden und Katzen zugeschnitten sind.

Die veterinärmedizinische Ausbildung und Öffentlichkeitsarbeit gewinnen zunehmend an Bedeutung, um das Bewusstsein für Pflanzenvergiftungen zu schärfen. Digitale Tools und Apps zur Identifikation giftiger Pflanzen und Erstmaßnahmen bei Vergiftungen werden entwickelt, um Tierhaltern schnelle und zuverlässige Informationen zu bieten.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

  1. Sind alle Teile der Amaryllis gleich giftig?
    Die Zwiebel enthält die höchsten Konzentrationen an Alkaloiden und ist daher besonders gefährlich. Aber auch Blüten, Blätter und Stängel können giftig wirken, wenn auch in geringerer Konzentration.
  2. Schadet es meinem Tier schon, wenn es nur an den Blättern leckt?
    Eine kleine Menge kann bereits zu Magen-Darm-Beschwerden führen. Das Risiko hängt von Tiergröße und -empfindlichkeit ab. Bei Katzen genügen oft minimale Mengen, um Symptome auszulösen.
  3. Gilt das auch für andere Zimmerpflanzen aus der Familie der Amaryllidaceae?
    Ja, viele verwandte Pflanzen (z. B. Narzissen, Osterglocken) enthalten ebenfalls Lycorin und sind für Haustiere giftig. Es empfiehlt sich, bei Blumenzwiebeln generell Vorsicht walten zu lassen.
  4. Kann ich die Vergiftung zu Hause selbst behandeln?
    Eigene Maßnahmen wie Erbrechen auslösen sollten nur nach tierärztlicher Rücksprache erfolgen. Bei Vergiftungsverdacht ist immer ein Tierarzt zu konsultieren, da eine professionelle Behandlung notwendig sein kann.
  5. Wie lange dauert die Genesung nach einer Amaryllis-Vergiftung?
    Die Genesungsdauer hängt von der aufgenommenen Menge und dem Zeitpunkt der Behandlung ab. Leichte Vergiftungen können sich innerhalb von 24–48 Stunden stabilisieren, schwere Fälle benötigen unter Umständen eine längere Behandlung.
  6. Welche Haustiere sind besonders gefährdet?
    Junge, neugierige Tiere und solche mit ausgeprägtem Kauverhalten haben ein erhöhtes Risiko. Katzen sind aufgrund ihres geringeren Körpergewichts oft empfindlicher gegenüber der gleichen Toxinmenge als größere Hunde.
  7. Gibt es ungiftige Alternativen zur Amaryllis für Haushalte mit Haustieren?
    Ja, es gibt viele haustierfreundliche Zimmerpflanzen wie Echeverien, Haworthien, Geldbaum, Bambuspalme oder Zimmeraralie, die sicher für Hunde und Katzen sind.
  8. Wie erkenne ich, ob mein Tier eine Amaryllis gefressen hat?
    Achten Sie auf Pflanzenreste im Maul oder Erbrochenen, Speicheln, plötzliches Erbrechen oder Verhaltensänderungen. Bei Verdacht sollten Sie umgehend einen Tierarzt aufsuchen.
  9. Überleben Tiere eine Amaryllis-Vergiftung ohne Behandlung?
    Bei leichten Vergiftungen ist eine Selbstheilung möglich, jedoch besteht ohne Behandlung ein erhöhtes Risiko für Komplikationen. Bei schweren Vergiftungen kann eine ausbleibende Behandlung lebensbedrohlich sein.
  10. Werden die Behandlungskosten einer Amaryllis-Vergiftung von der Tierkrankenversicherung übernommen?
    Die meisten Tierkrankenversicherungen decken Vergiftungsfälle ab, jedoch können Selbstbeteiligung und Deckungsumfang variieren. Es empfiehlt sich, die individuellen Versicherungsbedingungen zu prüfen.

Literatur

  • Löwe G, Löwe O: Vergiftungen bei Hund und Katze. 2. Auflage, Kynos Verlag, 2021. 208 S.
  • https://www.aspca.org/pet-care/animal-poison-control/toxic-and-non-toxic-plants/amarylli
  • https://www.vetpharm.uzh.ch/giftdb/pflanzen/0135_tox.htm
  • Cao, Z., Yang, P., & Zhou, Q. (2013). Multiple biological functions and pharmacological effects of lycorine. Science China Chemistry, 56(10), 1382-1391.
  • Kretzing, S., Abraham, G., Seiwert, B., Ungemach, F. R., Krügel, U., & Regenthal, R. (2011). Dose-dependent emetic effects of the Amaryllidaceous alkaloid lycorine in beagle dogs. Toxicon, 57(1), 117-124.