Früherkennung von Krebs bei Hunden und Katzen

30.10.2025
Autor: Dr. med. vet. Gisa Löwe

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Viele Hunde und Katzen erkranken im Laufe ihres Lebens an Krebs. Auch der Anteil von Krebs als Todesursache ist hoch.

Das Lebenszeitrisiko, an Krebs zu erkranken, beträgt bei Hunden etwa 25–33 % (1 von 4 bis 1 von 3 Tieren) und für Katzen etwa 20 % (1 von 5 Tieren) (https://www.akc.org/expert-advice/health/cancer-in-dogs/) Der Anteil krebsbedingter Todesfälle wird bei Hunden auf 27–34 % und bei Katzen auf 32–35 % aller Todesursachen geschätzt (https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11025767/). Dabei ist mit deutlichen rassebedingten Unterschieden, insbesondere bei Hunden, zu rechnen. Zu Katzen liegen vorrangig Untersuchungen von älteren und alten Tieren vor, sodass die Angaben für das Lebenszeitrisiko sowie den Anteil der krebsbedingten Todesfälle vermutlich etwas überschätzt werden (https://oncodaily.com/oncolibrary/cancer-in-cats).

In der Humanmedizin ist eine viermal höhere Überlebensrate bei Früherkennung belegt. Speziell die Bluttests stellen eine vielversprechende Lösung für die Früherkennung von Krebs dar. In der Tiermedizin ist eine Verbesserung der Überlebenszeit bei Früherkennung jedoch noch nicht eindeutig wissenschaftlich belegt.

 

Welche Methoden der Krebsfrüherkennung gibt es für Hund und Katze?

 

Regelmäßige klinische Untersuchung zum Screening

Eine regelmäßige, jährliche, klinische Untersuchung wird für alle Hunde und Katzen empfohlen. Diese sollte bei jüngeren Tieren, etwa bis zu einem Alter von 7 Jahren, jährlich erfolgen. Bei älteren Hunden, bei sehr großen Rassen und bei besonders gefährdeten Rassen sind halbjährliche bis jährliche klinische Untersuchungen, inkl. Laboruntersuchungen (Blutbild, Blutchemie, Harn) und Blutdruckmessung bereits ab 6 bis 7 Jahren angeraten. Diese systematischen Vorsorgeuntersuchungen können der frühen Detektion klinisch stummer Neoplasien (z. B. subkutane Knoten) dienen.

Beurteilt werden sollten:

  • Haut/Unterhaut
  • Periphere Lymphknoten
  • Beurteilung der Maulhöhle
  • Rektale Untersuchung Hund (perianal, Prostata)
  • Palpation des Abdomens
  • Palpation der Haut und der Milchleisten

Eine Feinnadelaspiration (FNA) jeder tastbaren Masse ist die effektivste frühe Erkennung solider Tumoren an der Körperoberfläche.

 

Bildgebung als Screening-Hilfe

Thorax-Röntgen und Abdomen-Ultraschall sind „nach Befundlage“, d. h. bei Verdachtsmomenten, z. B. bei unklaren Labor- und klinischen Befunden, sinnvoll. Eine generelle jährliche Röntgenuntersuchung des Brustkorbs oder eine generelle Ultraschalluntersuchung des Bauch- und Beckenraumes werden nicht empfohlen (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36584321/).

 

Labordiagnostik als Screening-Hilfe

  • Basislaborwerte (Blutbild, Blutchemie, Harn)

Auffälligkeiten wie unerwartete Anämie, Thrombozytopenie, Hyperkalzämie, Hyperglobulinämie, Hämaturie etc. können frühe Hinweise auf eine mögliche Krebserkrankung geben und sollten immer Anlass für eine weitere Abklärung sein (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36584321/).

  • FeLV-/FIV-Tests (Katzen)

Diese Tests dienen indirekt der Früherkennung, da es eine Reihe von FeLV-assoziierten Neoplasien gibt. Bei Risikogruppen ist ein regelmäßiges Testen zu empfehlen. (Lebensphasen-Leitlinien, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33627003/).

  • BRAF-Test (Hund, nichtinvasiver, molekulargenetischer Harntest)

Dieser Test ist nicht jährlich, aber bei einem Verdacht auf ein Urothelkarzinom (UC, Übergangszellkarzinom, Urothelkarzinom der Harnblase, der Harnröhre und der Prostata) dringend angezeigt. Verdachtsmomente sind Harnwegssymptome wie Harndrang (Pollakisurie) und Blut im Harn (Hämaturie). Auch bei einer schlechten Bildgebungs-Zugänglichkeit sollte auf diesen Test zurückgegriffen werden. Der Test weist eine hohe Zuverlässigkeit (hohe Spezifität, gute Sensitivität) mit einer Detektionsrate von ca. 85–95 % auf. Er eignet sich auch zur Verlaufskontrolle. https://www.antechdiagnostics.com/test/cadet-braf/

 

Blutbasierte Multi-Krebs-Tests (Hund), “Liquid Biopsy”

  • Multi-Krebs-Tests sind neuartige Tests, die anhand verschiedener, von Krebszellen freigesetzter Biomarker mehrere Krebsarten im Blut erkennen können. Sie ermöglichen dadurch die Krebsdiagnostik in einem sehr frühen Stadium. Die Verlässlichkeit positiver wie negativer Befunde ist allerdings unterschiedlich.
  • Der Tumor-DNA-Test „OncoK9“, ein Mehrkrebstest für Hunde, steht seit 2024 leider nicht mehr zur Verfügung. Studien zeigten eine hohe Spezifität (ca. 98 %) und moderate Gesamtsensitivität (ca. 55–62 %) über viele Tumortypen hinweg. Für systemische, meist besonders aggressive Tumoren wie Lymphom, Hämangiosarkom und Osteosarkom lag eine hohe Erfassungsrate vor. Lokalisierte, solide Tumoren wurden weniger gut detektiert. Der Test war insbesondere für den Einsatz bei Risikopatienten (Alter, Rasse, Vorschädigung) als Ergänzung zur klinischen Untersuchung, FNA und Bildgebung sinnvoll.
  • Nukleosomen-/Epigenetik-Tests (Nu.Q Vet) beim Hund sind ebenfalls Bluttests zur Erfassung systemischer Krebserkrankungen. Die Hersteller geben eine Spezifität von ca. 97 % an, wobei auch bei diesem Test mit einer höheren Sensitivität für systemische Tumoren (Lymphom, Hämangiosarkom) und mit einer geringeren Sensitivität für lokalisierte solide Tumoren zu rechnen ist. Der Test ist nicht tumorspezifisch. Entzündungen können zu falsch-positiven Ergebnissen führen. Der Einsatz dieses Tests ist als Zusatzscreening bei Senioren und gefährdeten Rassen sinnvoll, wobei positive Resultate immer eine bildgebende und/oder zytologische Bestätigung erfordern (https://volition.com/nu-q-vet/).

Auch wenn Bluttests (Liquid Biopsy) zur Krebsfrühdiagnostik bei Hunden vielversprechend sind, ist derzeit eine zurückhaltende Routineanwendung aufgrund noch zu geringer, belastbarer Daten zum Patienten-Outcome zu empfehlen. Es ist eine entsprechende Beratung und Entscheidungsfindung mit dem Tierbesitzer notwendig (https://www.veterinarypracticenews.com/cancer-diagnostics-evidence/).

 

Praktische Tipps

  • Welche tumorspezifische Früherkennung gibt es?

  1. Mammatumoren (Hund/Katze)
  2. Die Palpation ist die wirksamste „Früherkennung“ bei Mammatumoren und die beste Prophylaxe ist die frühe Ovariohysterektomie (Hund). Diese senkt das Risiko für Mammatumoren deutlich (allgemein akzeptierte Evidenz; in Senior-Leitlinien als Bestandteil der Anamnese/Vorsorge) (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36584321/).
  3. Tumoren der Maulhöhle (Katze, Plattenepithelkarzinom)
  4. Eine regelmäßige Untersuchung der Maulhöhle im Zusammenhang mit einer professionellen Zahnpflege bei Hunden und Katzen ist die Basis. Damit können die häufigsten soliden Tumoren der Katze am frühesten erfasst werden. (Lebensphasen-/Senior-Leitlinien, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33627003/).

 

  • Was (noch) nicht belegt ist

  1. Generelle abdominelle Ultraschall-Screenings zur Erfassung von Hämangiosarkomen, um Notfälle durch Hämangiosarkom-Rupturen zu verhindern, sind nicht sensitiv für kleine Läsionen und geben keinen gesicherten Nutzen als breites Vorsorgeprogramm. Das bedeutet, dass gezielte Ultraschalluntersuchungen sinnvoll sind, ein jährliches Routinescreening ist nicht zu empfehlen.
  2. Populationsweites „Krebs-Blutscreening“ (jeder Senior, jedes Jahr) hat aktuell keine Leitlinienempfehlung. Der Einsatz erfolgt individuell risikoadaptiert und nur als Ergänzung zur klassischen Vorsorge (https://www.aaha.org/resources/2023-aaha-senior-care-guidelines-for-dogs-and-cats/).

 

  • Risikopatient

Vorsorgeuntersuchungen sollten bis zu einem mittleren Lebensalter (7–8 Jahre) jährlich, bei älteren Tieren halbjährlich–jährlich erfolgen. Zu einer Vorsorgeuntersuchung gehören: Anamnese (Vorbericht), klinische Untersuchung, inkl. Haut, Lymphknoten, Maulhöhle und rektale Untersuchung (Hund), Blutbild, klinische Chemie, Harnuntersuchung und Blutdruck. Alles Palpable wird punktiert (FNA). Bildgebung erfolgt indikationsabhängig (https://www.aaha.org/resources/2023-aaha-senior-care-guidelines-for-dogs-and-cats/).

 

  1. Harnwegssymptome → Urin-BRAF erwägen. Bei positiven Befunden → Bildgebung + Zytologie oder Biopsie (https://www.antechdiagnostics.com/test/cadet-braf/).
  2. Senior-Hund, spezielle Rassen, spezielle kritische Vorgeschichte → Liquid Biopsy als Zusatzoption (Aufklärung bezüglich Sensibilität, Spezifität und, wenn positiv → gezielte Bildgebung, Feinnadelaspiration und Biopsie notwendig) (https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0266623).

 

  • Katze

  1. Der FeLV-/FIV-Status sollte aktuell gehalten werden, da eine Reihe von Tumoren indirekt mit FeLV bzw. FIV assoziiert sind.
  2. Eine konsequente Maulhöhleninspektion anlässlich der (jährlichen) Dental-Prophylaxe trägt wesentlich zur Früherkennung des Plattenepithelkarzinoms der Maulhöhle, dem häufigsten bösartigen Tumor der Katzen, bei (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33627003/).

 

Schlussfolgerung

  • Goldstandard der Krebsfrüherkennung bleibt die konsequente jährliche Vorsorgeuntersuchung bei Hunden und Katzen bis zum mittleren Lebensalter oder die halbjährliche klinische Vorsorgeuntersuchung bei Risikopatienten. Bei unklaren und/oder verdächtigen Befunden sollten sich unmittelbar FNA bzw. Biopsie und zielgerichtete Bildgebung anschließen.
  • Liquid-Biopsy-Tests beim Hund sind vielversprechende Ergänzungen mit hoher Spezifität, aber limitiert in der Gesamtsensitivität, hauptsächlich bei lokalen Tumoren, und stellen damit noch kein Ersatzverfahren für die klassische Diagnostik dar. Der Einsatz sollte selektiv und nach Aufklärung der Besitzer erfolgen.
Tierart
Hund, Katze
Themenbereich
Krebs

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