Die Feline Infektiöse Peritonitis (FIP) ist heilbar!
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Die FIP bei Katzen war eine bisher zu etwa 96 % tödlich verlaufende Virusinfektion. Sie entsteht durch eine Mutation des felinen, enteralen Coronavirus.
Feline enterale Coronaviren sind weitverbreitet. Sie führen zu Durchfall, Fieber und teilweise zu Erbrechen. Die Viren werden mit dem Kot ausgeschieden. Sie können über den Nasen-Rachen-Raum von anderen Tieren aufgenommen werden und zu Infektionen führen. Oft infizieren sich Welpen bereits bei dem Muttertier. Während das feline enterale Coronavirus übertragbar ist, d. h. eine Ansteckungsgefahr besteht, wird das mutierte, für FIP verantwortliche Virus, nicht von Tier zu Tier übertragen.
Erste Symptome treten in der Regel nach wenigen Wochen oder 1–2 Monaten nach der Mutation des Virus im Körper auf. In seltenen Fällen kommt es auch erst nach 1-1,5 Jahren zu Symptomen. Genetische und immunologische Faktoren tragen zur Anfälligkeit einer Katze für FIP bei.
Jedes Jahr erkranken etwa 1–2 % aller Katzen.
In neueren Untersuchungen scheint eine neue Variante des FIP-Virus (Subtyp) entstanden zu sein, die vermutlich für die schnelle Ausbreitung von FIP auf Zypern 2023 verantwortlich ist. Bei dieser Variante geht man von einer direkten Übertragung von Tier zu Tier aus.
Eine Infektionsgefahr für Menschen besteht bei keinem der Virustypen.
Doch inzwischen ist FIP heilbar.
Beschreibung der Formen, Symptome und Stadien der FIP
Formen der FIP
Anhand der typischen Symptome werden verschiedene Formen der FIP unterschieden:
Feuchte FIP
- Erguss in der Bauchhöhle (Aszites)
- Erguss im Pleuraspalt der Brusthöhle (Thoraxerguss)
- Flüssigkeitsansammlung im Hodensack
Trockene FIP
- Lethargie
- Appetitlosigkeit
- Gewichtsverlust
- Gelbsucht
Neurologische FIP
- Ataxie, besonders die Hinterhand betreffend
- Krämpfe
- Verhaltensstörungen
- Nystagmus
- Epileptiforme Anfälle
- Blindheit
- Hyperästhesien
- Kopfbeugung
Okulare FIP
- Entzündung der Regenbogenhaut (Iris) mit Farbveränderungen der Iris
- Ablagerungen und Blutungen in der vorderen Augenkammer
- Hornhautverdickung
- Netzhautablösung und Blindheit
Die Formen der FIP sind nicht streng voneinander getrennt. Mischformen sind häufig. Auch Hautveränderungen, wie leicht erhabene in der Haut liegende Papeln, besonders im Bereich des Halses und an den seitlichen Brustwänden, können im Zusammenhang mit FIP auftreten. In dichtem Fell können sie leicht übersehen werden. Bei gestörtem Allgemeinbefinden, ohne eine erkennbare Ursache sollten Hautveränderungen auf Coronaviren untersucht werden.
Stadien der FIP
FIP ist durch verschiedene Stadien gekennzeichnet.
Frühstadium: Charakterisiert durch unspezifische Krankheitszeichen
- Fieberschübe
- Appetit reduziert
- Gewichtsverlust
- Lethargie
Mittleres Stadium: Verschlechterung der Symptome des Frühstadiums, sowie
- Aszites (Bauchhöhlenwassersucht)
- Anämie (Blutarmut)
- Durchfall,
- Gelbsucht (Ikterus, Verfärbung aller sichtbaren Schleimhäute, der Haut und des Augapfels)
Spätstadium:
- Appetitlosigkeit (Inappetenz)
- Koordinationsstörungen
- Lähmungen
- Krämpfe
Diagnose einer FIP
Der Nachweis von Antikörpern im Blut gegen das Coronavirus (Corona-AK-Titer) sagt nichts über das mögliche Vorliegen einer FIP aus. Oft werden die Corona-AK-Titer mit dem Vorliegen einer FIP gleichgesetzt. Das ist nicht richtig. Auch die Höhe des Titers sagt nichts darüber, ob eine Katze an FIP erkrankt ist oder nicht. Selbst wenn keine Antikörper gegen das Coronavirus nachweisbar sind, lässt sich eine FIP nicht zu 100 ausschließen.
Ein spezieller Labortest, bei dem Viren direkt im Blut, in Ergussflüssigkeit oder in Gewebeproben nachgewiesen werden können (PCR), hilft weiter. Die Viruslast (Quantifizierung der in der Probe vorhandenen Viren) gibt weitere Hinweise.
Für Fälle, in denen das klinische Bild nicht eindeutig ist und die Viruslast in der untersuchten Probe gering ist, gibt es inzwischen auch Methoden (RT-PCR) um die mutierte Form des Felinen Covid-Virus (FCoV), die FIP verursacht, zu erkennen.
Behandlung der Felinen Infektiösen Peritonitis mit GS-441524 (GS) und Remdesivir
GS-441524 (GS)
Pedersen (UC Davis School of Veterinary Medicine) veröffentlichte 2019 einen bahnbrechenden Artikel (1), in dem die Behandlung von an FIP erkrankten Katzen mit dem antiviralen Medikament GS-441524 (GS) beschrieben wurde. GS ist ein Medikament, das in der Behandlung der Coronavirus-Infektion COVID-19 beim Menschen unter bestimmten Umständen eingesetzt wird.
Bisher war GS lediglich in Australien und Großbritannien für die Behandlung von Katzen zugelassen. Durch die Zusammenarbeit von Stokes Pharmacy (USA) und BOVA-Phamaceutics (Großbritannien, https://bova.vet/fip-resource-page/?) kann das Medikament seit dem 1. Juni 2024 ebenfalls in den USA legal für Katzen erworben werden. GS wird als Tablette oder flüssige orale Suspension von BOVA angeboten.
Remdesivir
Ein weiteres antivirales Mittel ist Remdesivir. Remdesivir („Veklury“ in Deutschland) erhielt 2020 eine bedingte Zulassung und 2022 eine vollständige Marktzulassung in der Europäischen Union (im Internet: DOI 10.25646/6939.6) zur Behandlung von Covid-19 des Menschen.
Damit ist Remdesivir auf dem deutschen Markt vorhanden und kann „Off Label“ genutzt werden (siehe unten).
Inzwischen wurden international verschiedene Studien zum Einsatz dieser beiden Medikamente einzeln oder in Kombination zur Behandlung von FIP durchgeführt. Die hohe Wirksamkeit dieser Medikamente (86–100 %) wurde bestätigt und optimale Behandlungsprotokolle wurden entwickelt.
In Deutschland sind beide Medikamente (noch) nicht zugelassen.
Möglicher Zugang zu GS-441524
Eine Möglichkeit der Nutzung dieses Medikamentes besteht darin, eine Einfuhrgenehmigung zu beantragen, um GS-441524 aus dem Ausland, z. B. aus Großbritannien, zu importieren.
Hier ein interessanter Link zu einer Mitteilung von Bova-Pharmazeutics zur Anwendung von GS bei Katzen mit dem Titel: „FIP: So viel hat sich verändert, wo stehen wir jetzt? (2024)“ https://bova.vet/2024/04/04/fip-changes/
Möglicher Zugang zu Remdesivir
Ein möglicher Ausweg ist die Nutzung von Remdesivir „Off-Label“, da das Medikament in Deutschland für den Menschen zugelassen ist. Off Label bedeutet „nicht bestimmungsmäßiger Gebrauch“. Das Medikament wird gegen eine Krankheit eingesetzt, für die es von der Zulassungsbehörde EMA keine Genehmigung hat. Bei einer derartigen Nutzung haftet für eventuelle Schäden nicht mehr der Hersteller, sondern der Arzt bzw. Tierarzt. Dieser muss sich durch eine sogenannte „informierte Zustimmung“ durch den Tierbesitzer nach einer besonders sorgfältigen Aufklärung schützen. Das bedeutet, Tierärzte müssen sicherstellen, dass die Tierhalter umfassend über die möglichen Risiken informiert sind und der Tierbesitzer muss schriftlich fixiert zustimmen. Diese informierte Zustimmung ist entscheidend.
Es soll nicht verschwiegen werden, dass Remdesivir in der Humanmedizin in dem Verdacht steht, die Entstehung von Mutationen bei Viren zu fördern.
Das Medikament Remdesivir für die Humanmedizin kann nur injiziert werden. Es hat einen sehr niedrigen pH-Wert, sodass Injektionen unter die Haut schmerzhaft sind und zu Entzündungen führen können. Für die ersten 7 Tage der Behandlung wäre es dennoch sinnvoll. Danach wäre das in Tablettenform vorliegende GS wünschenswert, da die Behandlungsdauer mindestens 12 Wochen beträgt!
Der schwierige Zugang zu den beiden therapeutisch hochwirksamen Medikamenten GS-441524 (GS) und Remdesivir ist enttäuschend, dennoch weichen Sie nicht auf einen Kauf auf dem Schwarzmarkt im Internet aus. Die tatsächliche Zusammensetzung dieser Medikamente ist nicht überprüfbar. Sie könnten tausende Dollar in ein wirkungsloses Medikament investieren oder schlimmer noch, womöglich Ihrem Tier schaden.
Behandlungsprotokoll
Die Behandlung der FIP dauert 12 Wochen. Doch bereits innerhalb einer Woche geht es der Katze deutlich besser. Es ist dennoch essenziell, die zwölfwöchige Behandlung durchzuhalten, da ansonsten das Virus nicht vollständig eliminiert ist und nach Beendigung der Behandlung mit einem Rückfall zu rechnen ist. Eine engmaschige Überwachung der Katze während der Behandlung ist ebenfalls wichtig. Teilweise sind Anpassungen am Behandlungsregime notwendig.
Behandlungsverlauf
Tag 1–2:
Es ist mit dem Abklingen des Fiebers zu rechnen. Der Appetit kehrt eventuell bereits etwas zurück. Es ist möglich, dass die Ansammlung von Flüssigkeit in der Bauchhöhle und Brustkorb noch etwas zunimmt.
Tag 3–5: Den meisten Katzen geht es deutlich besser. Auch die Augen- und neurologischen Symptome lassen nach. Die neurologischen Symptome lassen größtenteils bereits etwas nach.
Tag 7: Die Atemnot (Dyspnoe) verschwindet in der Regel, da die auslösende Flüssigkeitsansammlung im Brustkorn (Thoraxerguss) vom Körper resorbiert wird.
Tag 7–14: Innerhalb dieser Zeit wird auch der Erguss in der Bauchhöhle (Aszites) weitgehend resorbiert und die Augensymptomatik ist deutlich oder vollständig abgeklungen.
Tag 21–28: Die Resorption des Bauchergusses ist abgeschlossen. Die neurologischen Symptome sind deutlich reduziert oder nicht mehr vorhanden.
Überwachung der Therapie
- Wiegen und Dosis anpassen: mindestens wöchentlich. Da die Katze während der Therapie anfängt zu fressen und an Gewicht zulegt und Jungtiere noch wachsen, muss die Dosis angepasst werden. Eine Unterdosierung gefährdet den Therapieerfolg.
- Blutbildkontrolle: Anhand des Blutbildes, klinisch-chemischer Werte kann der Therapieerfolg beurteilt und eventuell Maßnahmen zur Optimierung ergriffen werden. Die Kontrolle sollte alle 4–6 Wochen erfolgen. Es sollten mindestens Glukose, Kreatinin, BUN, Albumin, Globulin, ALT, ALP und Gesamtbilirubin bestimmt werden.
- Überwachung klinischer Symptome: Die Überwachung klinischer Symptome muss während der gesamten Behandlung erfolgen, um sicherzustellen, dass das Nachlassen bzw. Verschwinden der Symptome den Erwartungen entspricht. Neue Symptome können sichtbar werden, da sie vor der Behandlung durch den Krankheitszustand überlagert waren. Das kann beispielsweise auf neurologische Symptome zutreffen.
Abschluss der Therapie
Um festzustellen, ob ein Patient nach 84 Tagen oder nach einer längeren Behandlung bereit ist, die Behandlung abzuschließen, müssen sowohl klinische als auch diagnostische Informationen berücksichtigt werden. Es ist dringend, dass das Gesamtbild der Gesundheit der Katze berücksichtigt wird, anstatt einem leicht anormalen Wert im Blutbild übermäßiges Gewicht beizumessen. (Etwa ein leicht hoher Globulinwert oder ein leicht niedriges Albumin zu Globulin-Verhältnis.) Behandelt werden sollte die Katze, nicht das Blutbild!
Blutbild
Zur Beurteilung, ob die Behandlung beendet werden kann, sollten ein Blutbild und klinisch-chemische Werte im Blutserum bestimmt werden. Im Idealfall sollten die üblichen Blutwerte für FIP wieder im Normbereich liegen. Genauer gesagt:
- Die Anämie sollte behoben sein.
- Die Neutrophilen Granulozyten sollten im normalen Bereich liegen.
- Der Prozentsatz der Lymphozyten sollte bei 20 % oder mehr liegen.
- Eine Lymphozytose wird häufig während und nach der Behandlung beobachtet und ist die Folge einer Immunaktivierung. Es kann Monate bis zur vollständigen Normalisierung dauern.
- Eine Lymphozytose kann im Zusammenhang mit FIP vernachlässigt werden.
- Die Hyperbilirubinämie verschwindet.
- Die Globuline liegen im Normbereich
Ein Albumin-/Globulin-Verhältnis von 0,7 oder höher ist wünschenswert, obwohl manche Katzen dies nicht erreichen, aber dennoch als geheilt angesehen werden können. Ein A/G-Wert unter 0,7 ist weniger besorgniserregend, wenn er auf normale Globuline und niedrige (oder niedrig-normale) Albuminwerte zurückzuführen ist und nicht umgekehrt.
Blutbild und Serumchemie umfassen auch zahlreiche andere Werte, die im Allgemeinen ignoriert werden können, es sei denn, sie sind deutlich erhöht oder erniedrigt und stehen im Zusammenhang mit klinischen Symptomen.
Sofern keine besonderen Bedenken vorliegen, ist die Durchführung einer Ultraschall- oder Röntgenuntersuchung am Ende der Behandlung weder erforderlich noch empfehlenswert. Dies liegt daran, dass kleine Mengen Bauchflüssigkeit oder vage Unregelmäßigkeiten in Organen wie den Nieren, der Milz, der Bauchspeicheldrüse oder dem Darm im Endstadium im Ultraschall eher Restbefunde als Anzeichen einer aktiven Erkrankung sind.
Klinische Bewertung
- Die Katze sollte auf äußere Anzeichen ihrer Gesundheit untersucht werden. Zum Beispiel:
- Sind die neurologischen und okulären Symptome abgeklungen?
- Bedenken Sie, dass neurologische und okuläre FIP einige bleibende Schäden/Symptome hinterlassen kann
- Hat die Katze ein normales (oder über dem Normalwert liegendes) Energieniveau?
- Hat die Katze einen normalen Appetit?
- Hat die Katze zugenommen?
Wenn eine Katze die oben genannten Kriterien nicht im Wesentlichen erfüllt, wird empfohlen, die Dosierung zu erhöhen und die Behandlung um mindestens 4 Wochen zu verlängern.
Nach Beendigung der Behandlung wird empfohlen, die Katze drei Monate lang zu beobachten, um festzustellen, ob die Behandlung erfolgreich war. Während dieser Zeit werden alle 4–6 Wochen eine Kontrolluntersuchung und ein Blutbild empfohlen.
Als unterstützende Maßnahme ist die zusätzliche Gabe von Vitamin B 12 während der Behandlung sinnvoll. Vitamin B 12 wird für die Bildung roter Blutkörperchen benötigt. Es ist insbesondere in tierischen Futtermitteln wie Fleisch, innere Organe, Fisch, Eier enthalten.
Antivirale Resistenz
Wenn eine Resistenz gegen das aktuelle antivirale Mittel vermutet wird, kann es wünschenswert sein, die Katze auf eine andere antivirale Behandlung umzustellen. Eine antivirale Resistenz wird typischerweise dadurch angezeigt, dass entweder keine Reaktion auf das antivirale Mittel ausbleibt oder ein Muster einer anfänglichen positiven Reaktion gefolgt von einem Rückfall auftritt, der anhält, wenn die Dosis zunehmend erhöht wird. Aggressive Dosiserhöhungen können manchmal die antivirale Resistenz überwinden, hohe Dosen können jedoch die Verabreichung erschweren und alternative antivirale Therapien attraktiver machen.
Tritt kein Behandlungserfolg ein, kann ein Versuch mit einer höheren Dosierung (oder einem alternativen antiviralen Mittel) für zwei Wochen durchgeführt werden. Anschließend wird die Katze erneut untersucht. Wenn sich die Symptome oder Laborbefunde nicht bessern, können Sie sicherer schließen, dass sie nicht durch eine aktive FIP-Erkrankung verursacht werden und die Behandlung beenden. Wenn eine Besserung eintritt, sollte die Behandlung um mindestens zwei weitere Wochen verlängert werden.
Mögliche Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen sind relativ selten und meist mild. Sie bestehen vorrangig in Entzündungen im Bereich der Injektionsstelle. Bei dem Einsatz von GS wurden teilweise Durchfall und Erbrechen beobachtet. Teilweise kann es auch zu Abgeschlagenheit und Appetitlosigkeit kommen. Im Blut sind Veränderungen der Leber- und Nierenwerte möglich.
Quellen
1 Pedersen N. C., Perron M., Bannasch M., Montgomery E., Murakami E., Liepnieks M., & Liu H. (2019). Efficacy and safety of the nucleoside analog GS-441524 for treatment of cats with naturally occurring feline infectious peritonitis. Journal of Feline Medicine and Surgery, 21(4), 271–281. https://doi.org/10.1177/1098612X19825701
2 Taylor S, Coggins S, Tasker S et al. (2023): Retrospective study and outcome of 307 cats with feline infectious peritonitis treated with legally sourced veterinary compounded preparations of remdesivir and GS-441524 (2020–2022). J Feline Med Surg 25(9). doi.org/10.1177/1098612X231194460.
3 FIP: So viel hat sich verändert, wo stehen wir jetzt? (2024)“ https://bova.vet/2024/04/04/fip-changes/ 2024)“