Fingerhut (Digitalis purpurea)

Inhalt

Fingerhut ist sehr stark giftig +++
Die Giftwirkung entsteht durch herzaktive Glykoside (Digitaloide). 
Es gibt ca. 100 verschiedene herzwirksame Steroidglykoside oder Cardenolide).
Weiter Pflanzen, bei denen Herzglykoside für die toxische Wirkung verantwortlich sind, sind:

  • Maiglöckchen (Convallaria majalis)
  • Oleander (Nerium oleander)

Alle Teile der Pflanze gelten als giftig. Auch das Wasser in der Vase, in der Pflanzen stehen, ist giftig.
Die Toxine ähneln den in der Human- und Veterinärmedizin eingesetzten herzwirksamen Medikamenten Digitoxin und Digoxin.
Die Entwicklung wirksamerer Wirkstoffe hat dazu geführt, dass diese Medikamente immer weniger Verwendung finden.

Fingerhut (Digitalis purpurea) ist eine in Europa heimische Pflanze mit charakteristischen glockenförmigen Blüten, die in der Gartenkultur weitverbreitet ist. Alle Pflanzenteile des Fingerhuts enthalten herzwirksame Glykoside, auch Digitaloide oder Cardenolide genannt, die für Hunde und Katzen hochgradig toxisch sind. Es existieren etwa 100 verschiedene herzwirksame Steroidglykoside in der Pflanze, wobei die wichtigsten Wirkstoffe Digitoxin und Digoxin sind. Diese Substanzen wurden früher auch als Medikamente in der Human- und Veterinärmedizin eingesetzt, sind jedoch aufgrund der Entwicklung wirksamerer und sicherer Alternativen heute weniger gebräuchlich.

Die Toxizität des Fingerhuts wird mit +++ als sehr hoch eingestuft. Bereits geringe Mengen können bei Haustieren zu lebensbedrohlichen Vergiftungen führen. Für einen Hund mittlerer Größe gelten bereits fünf getrocknete Blätter als potenziell tödlich. Neben dem Fingerhut enthalten auch andere Pflanzen wie Maiglöckchen (Convallaria majalis) und Oleander (Nerium oleander) ähnliche herzwirksame Glykoside mit vergleichbarer Toxizität.

Besonders gefährlich ist, dass nicht nur frische oder getrocknete Pflanzenteile giftig sind, sondern auch das Wasser in Vasen, in denen Fingerhut gestanden hat, toxische Konzentrationen der Wirkstoffe enthalten kann.

Ursachen, Entstehung und Verlauf

Die Vergiftung durch Fingerhut bei Haustieren erfolgt in der Regel durch orale Aufnahme von Pflanzenteilen. Trotz des bitteren Geschmacks der Pflanze, der viele Tiere abschreckt, kommt es immer wieder zu Vergiftungsfällen, besonders bei jungen, neugierigen Tieren oder solchen mit Pica-Syndrom (krankhaftes Fressen nicht zur Ernährung dienender Substanzen).

Der Wirkungsmechanismus der Herzglykoside beruht auf der Hemmung der Natrium-Kalium-ATPase in den Herzmuskelzellen. Dieses Enzym ist für den Transport von Natrium aus der Zelle und Kalium in die Zelle verantwortlich. Durch die Hemmung kommt es zu einer Erhöhung der intrazellulären Natriumkonzentration, was wiederum zu einem erhöhten Calciumeinstrom führt. Die erhöhte Calciumkonzentration bewirkt eine verstärkte Kontraktionskraft des Herzmuskels (positiv inotrope Wirkung) sowie eine verlangsamte Erregungsleitung im Reizleitungssystem des Herzens (negativ dromotrope Wirkung).

Bei therapeutischer Anwendung können diese Effekte bei Herzinsuffizienz erwünscht sein, bei einer Vergiftung führen sie jedoch zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen. Zusätzlich wirken die Glykoside auf das zentrale Nervensystem und den Magen-Darm-Trakt, was die neurologischen und gastrointestinalen Symptome erklärt.

Besonders gefährdet sind Katzen, da sie aufgrund ihrer eingeschränkten Fähigkeit zur Glukuronidierung (ein wichtiger Stoffwechselweg zur Entgiftung) die Toxine schlechter abbauen können. Auch Hunde mit dem MDR-1-Gendefekt, der bei Collies und verwandten Rassen häufiger vorkommt, zeigen eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Herzglykosiden, da der Defekt die Ausscheidung der Toxine beeinträchtigt.

Wirkungsmechanismus

Herzglykoside hemmen spezielle Enzyme (Natrium-Kalium-ATPasen) in den Herzmuskelzellen, was zu Verschiebungen der Konzentrationen an Elektrolyten (Natrium, Kalium, Calcium) in der Herzmuskelzelle führt.
Der damit verbundene Anstieg von Calcium bewirkt eine Steigerung der Kontraktionskraft und der Kontraktionsgeschwindigkeit der Herzmuskelzelle.
Weiterhin verlangsamen Herzglykoside die Erregungsleitung in den Nervenbahnen des Herzens und führen auf diese Weise zu einer Reduktion der Herzfrequenz.
Mit steigender Konzentration der Glycoside im Blut nehmen die Effekte zu.
Zusätzlich kommt es zu Störungen im Magen-Darm-Trakt und im ZNS.
Zeichen einer Intoxikation, anfangs nur den Magen-Darm-Trakt betreffend, werden bei Hunden und Katzen ab einem Plasmaspiegel von ca. 2,5 ng/ml beobachtet.
Für den Hund gelten fünf getrocknete Blätter des Fingerhutes als tödlich.
Katzen sind gegenüber steigenden Plasmaspiegeln besonders empfindlich. Die Ursache ist die bei ihnen stark eingeschränkte Fähigkeit, bestimmte Stoffe über den Stoffwechselweg der Glukuronidierung abzubauen.
Hunde mit dem MDR-1-Gendefekt (Collie u. a.) sind ebenfalls besonders empfindlich gegenüber steigenden Plasmakonzentrationen.

Ergänzungen

Für Hunde und Katzen stellt bereits die Aufnahme kleiner Mengen frischen Pflanzenmaterials eine potenziell lebensbedrohliche Gefahr dar.

  1. Toxische Hauptsubstanzen

Die wichtigsten Herzglykoside im Fingerhut sind:

  • Digoxin
  • Digitoxin
  • Gitoxin
  • Digitalin

Diese Substanzen sind lipophil, werden gut über den Magen-Darm-Trakt resorbiert und wirken sowohl direkt auf das Herzmuskelgewebe als auch indirekt über das autonome Nervensystem.

  1. Wirkungsmechanismus auf zellulärer Ebene

Die Herzglykoside hemmen kompetitiv die Natrium-Kalium-ATPase (Na⁺/K⁺-Pumpe) in der Zellmembran der Kardiomyozyten (Herzmuskelzellen).

a) Primäre Wirkung: Hemmung der Na⁺/K⁺-ATPase

  • Diese Pumpe ist essenziell für den Erhalt der elektrolytischen Homöostase der Herzmuskelzelle.
  • Durch die Hemmung steigt die intrazelluläre Natriumkonzentration.
  • Dies führt zu einer Hemmung des Na⁺/Ca²⁺-Austauschers, wodurch Kalzium in der Zelle akkumuliert.
  • Das vermehrte intrazelluläre Kalzium führt zu einer erhöhten Kontraktilität des Herzmuskels (positiv inotroper Effekt).

b) Sekundäre Wirkungen

  • Die erhöhte Kalziumkonzentration führt jedoch auch zu einer elektrischen Instabilität → Herzrhythmusstörungen.
  • Zusätzlich wird der vagale Tonus gesteigert (parasympathische Aktivität), was zu einer Verlangsamung der Herzfrequenz (Bradykardie) führen kann.
  1. Toxische Effekte bei Überdosierung

Die therapeutische Breite der Fingerhutglykoside ist sehr gering, eine Überdosierung führt schnell zur Intoxikation. Bei Hunden und Katzen ist die Spanne zwischen wirksamer und toxischer Dosis besonders eng, weshalb jede Aufnahme der Pflanze als potenziell gefährlich gilt.

Hauptwirkungen:

  • Kardiotoxisch: Arrhythmien (z. B. ventrikuläre Extrasystolen, Vorhof-Block, AV-Block), Bradykardie oder Tachykardie
  • Zentralnervös: Lethargie, Desorientierung, in schweren Fällen Krampfanfälle
  • Gastrointestinal: Erbrechen, Durchfall, Hypersalivation – oft erste klinische Zeichen
  1. Spezifische Toxizität bei Hunden und Katzen
  • Hund: Neigt häufiger zur Aufnahme größerer Mengen durch neugieriges Verhalten (z. B. Spiel mit Pflanzenteilen). Erste Anzeichen sind meist gastrointestinal (Erbrechen, Übelkeit), gefolgt von Herzrhythmusstörungen und neurologischen Auffälligkeiten.
  • Katze: Aufgrund ihres selektiveren Fressverhaltens seltener betroffen, aber hochempfindlich gegenüber Herzglykosiden. Schon geringe Mengen können Bradykardie, Hypothermie und massive Schwäche verursachen.
  1. Zusammenfassung der toxischen Wirkmechanismen
Wirkebene Wirkung durch Fingerhutglykoside
Zellulär (Herz) Hemmung der Na⁺/K⁺-ATPase → Kalziumakkumulation → gesteigerte Kontraktion
Elektrophysiologie Erregungsleitungsstörungen, Rhythmusstörungen
Autonomes Nervensystem Erhöhter Vagustonus → Bradykardie, AV-Block
Gastrointestinaltrakt Direkte Reizung → Erbrechen, Diarrhö
Zentrales Nervensystem Desorientierung, Schwäche, evtl. Krämpfe
  1. Fazit

Der Fingerhut zählt zu den gefährlichsten Giftpflanzen für Hunde und Katzen. Die enthaltenen Herzglykoside führen über die Hemmung der Na⁺/K⁺-ATPase zu einer Störung der Ionenhomöostase und einer direkten Beeinflussung der Herzfunktion. Schon kleinste Mengen der Pflanze können schwere, mitunter tödliche Herzrhythmusstörungen auslösen. Typische Symptome sind Erbrechen, Lethargie, verlangsamter Puls und im Verlauf synkopale Ereignisse oder plötzlicher Tod.

Symptome einer Intoxikation

Die Symptome einer Fingerhut-Vergiftung entwickeln sich typischerweise innerhalb von 2–6 Stunden nach Aufnahme der Pflanze und können in mehrere Phasen unterteilt werden.

In der initialen Phase dominieren gastrointestinale Symptome:

  • Vermehrter Speichelfluss (Hypersalivation)
  • Wiederholtes Erbrechen, oft heftig
  • Durchfall, der in schweren Fällen blutig sein kann
  • Inappetenz und Futterverweigerung
  • Bauchschmerzen, erkennbar an einer angespannten Bauchdecke

Mit fortschreitender Vergiftung treten kardiovaskuläre Symptome in den Vordergrund:

  • Unregelmäßiger Herzschlag (Arrhythmien)
  • Bradykardie (verlangsamter Herzschlag) oder Tachykardie (beschleunigter Herzschlag)
  • Herzblock verschiedener Grade
  • Schwacher Puls
  • Blasse oder bläuliche Schleimhäute
  • Kollaps und Schwäche

Neurologische Symptome können ebenfalls auftreten:

  • Gangunsicherheit (Ataxie)
  • Zittern oder Muskelzuckungen
  • Desorientierung
  • Krämpfe
  • In schweren Fällen Bewusstseinstrübung bis zum Koma

Bei fortgeschrittener Vergiftung kann es zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen:

  • Kammerflimmern
  • Herzstillstand
  • Lungenödem
  • Multiorganversagen
  • Tod

Die Schwere der Symptome korreliert mit der aufgenommenen Menge an Pflanzenmaterial und der Zeit bis zur Behandlung. Bei Katzen können die Symptome aufgrund ihrer besonderen Empfindlichkeit schneller und ausgeprägter auftreten als bei Hunden.

Diagnose

Die Diagnose einer Fingerhut-Vergiftung basiert auf mehreren Säulen und erfordert eine sorgfältige Anamnese sowie klinische und labordiagnostische Untersuchungen.

Die Anamnese ist entscheidend und sollte folgende Aspekte umfassen:

  • Möglicher Zugang zu Fingerhut oder anderen herzglykosid-haltigen Pflanzen
  • Beobachtete Aufnahme von Pflanzenteilen
  • Zeitpunkt der vermuteten Exposition
  • Auftreten und Verlauf der Symptome

Die klinische Untersuchung konzentriert sich auf:

  • Herz-Kreislauf-Status (Herzfrequenz, Herzrhythmus, Pulsqualität, Schleimhautfarbe)
  • Neurologischer Status
  • Hydratationszustand nach Erbrechen und Durchfall

Labordiagnostische Maßnahmen umfassen:

  • Blutbild und Serumchemie zur Beurteilung der Organfunktion
  • Elektrolyte (insbesondere Kalium, da Hyperkaliämie bei schweren Vergiftungen auftreten kann)
  • Säure-Basen-Status
  • EKG zur Erkennung von Herzrhythmusstörungen (typische Veränderungen sind ST-Strecken-Senkung, verlängerte PR-Intervalle, AV-Blockierungen)
  • In spezialisierten Laboren: Nachweis von Digitoxin oder Digoxin im Blut oder Urin

Die Differenzialdiagnose umfasst andere Vergiftungen mit kardiotoxischer Wirkung, primäre Herzerkrankungen und metabolische Störungen. Besonders wichtig ist die Abgrenzung zu Vergiftungen mit anderen herzglykosid-haltigen Pflanzen wie Oleander oder Maiglöckchen, die ähnliche Symptome verursachen können.

Eine definitive Diagnose kann durch den direkten Nachweis von Herzglykosiden im Blut gestellt werden, diese Tests sind jedoch nicht überall verfügbar und die Ergebnisse liegen oft nicht schnell genug vor, um die akute Therapieentscheidung zu beeinflussen.

Therapeutische Prinzipien

Das in der Humanmedizin zur Verfügung stehende Antidot
DigiFab steht in Deutschland für die Tiermedizin nicht zur Verfügung.
Atropin hebt einen Teil der toxischen Wirkungen der Herzglykoside am Herzen auf.
Auch Lidocain und Phenytoin können zur Behandlung schwerer Herzrhythmusstörungen eingesetzt werden.
Die Dekontamination erfolgt durch die Entleerung des Magens und die Gabe von Aktivkohle. Da Herzglykoside mit der Galle ausgeschieden und im Darm erneut resorbiert werden (enterohepatischer Kreislauf), sollte die Gabe von Aktivkohle wiederholt erfolgen.
Die symptomatische Therapie betrifft insbesondere den Ausgleich von Störungen im Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Säuren-Basen-Haushalt, da diese die toxische Wirkung von Gykosiden am Herzen verstärken können.

Die Behandlung einer Fingerhut-Vergiftung erfordert ein schnelles und umfassendes Vorgehen. Da es sich um einen medizinischen Notfall handelt, sollte die Therapie unverzüglich eingeleitet werden.

Die Dekontamination steht an erster Stelle:

  • Bei frischer Aufnahme (innerhalb von 1–2 Stunden) kann unter tierärztlicher Aufsicht Erbrechen ausgelöst werden, sofern das Tier bei Bewusstsein ist und keine neurologischen Symptome zeigt.
  • Magenspülung unter Narkose bei größeren aufgenommenen Mengen oder wenn Erbrechen kontraindiziert ist.
  • Verabreichung von Aktivkohle (initial 1–4 g/kg Körpergewicht), um die Absorption der Toxine zu reduzieren. Da Herzglykoside einem enterohepatischen Kreislauf unterliegen, sollte die Gabe von Aktivkohle alle 4–6 Stunden für 24–48 Stunden wiederholt werden.

Die symptomatische und unterstützende Therapie umfasst:

  • Intravenöse Flüssigkeitstherapie zur Stabilisierung des Kreislaufs und zur Förderung der renalen Ausscheidung der Toxine.
  • Korrektur von Elektrolyt- und Säure-Basen-Störungen, insbesondere Hyperkaliämie.
  • Bei Herzrhythmusstörungen: Antiarrhythmika wie Lidocain oder Phenytoin.
  • Atropin kann bei ausgeprägter Bradykardie eingesetzt werden, da es einen Teil der toxischen Wirkungen der Herzglykoside am Herzen aufhebt.
  • Sauerstofftherapie bei Atemnot oder Zyanose.
  • Krampflösende Medikamente bei neurologischen Symptomen.

In der Humanmedizin steht mit DigiFab ein spezifisches Antidot (Digoxin-spezifische Fab-Fragmente) zur Verfügung, das jedoch in der Veterinärmedizin in Deutschland nicht routinemäßig verfügbar ist. In schwerwiegenden Fällen kann die Anwendung dieses Antidots jedoch lebensrettend sein und sollte in Betracht gezogen werden.

Die intensivmedizinische Überwachung ist essenziell und sollte mindestens 48–72 Stunden fortgeführt werden, da die Toxine langsam ausgeschieden werden und es zu verzögerten Komplikationen kommen kann.

Prognose

Wie immer ist die Prognose abhängig von der aufgenommenen Menge an Toxin (Pflanzenteilen) und einer schnellen und umfassenden Dekontamination. Da Herzglykoside bitter schmecken, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass nur wenig Pflanzenmaterial aufgenommen wird.
Die Prognose ist im Allgemeinen gut. Die Symptome klingen in der Regel innerhalb von 2–3 Tagen ab.

Die Prognose bei einer Fingerhut-Vergiftung hängt von mehreren Faktoren ab: der aufgenommenen Menge an Toxin, der Zeit bis zur Behandlung, dem allgemeinen Gesundheitszustand des Tieres und dem Vorliegen von Risikofaktoren wie dem MDR-1-Gendefekt bei Hunden oder einer eingeschränkten Nierenfunktion.

Bei frühzeitiger und adäquater Behandlung ist die Prognose vorsichtig günstig. Die meisten Tiere erholen sich innerhalb von 2–3 Tagen vollständig, wenn die Dekontamination rechtzeitig erfolgt und keine schwerwiegenden Herzrhythmusstörungen aufgetreten sind. Die Tatsache, dass Herzglykoside bitter schmecken und viele Tiere daher nur geringe Mengen aufnehmen, verbessert die Prognose zusätzlich.

Bei schweren Vergiftungen mit ausgeprägten Herzrhythmusstörungen oder neurologischen Symptomen ist die Prognose jedoch vorsichtig bis ungünstig. Insbesondere Kammerflimmern und höhergradige AV-Blockierungen können trotz intensiver Therapie zum Tod führen.

Die Nachsorge nach überstandener akuter Vergiftung umfasst:

  • Regelmäßige kardiologische Kontrollen mittels EKG und Echokardiografie, da Herzglykoside auch verzögerte oder chronische Schäden am Herzmuskel verursachen können.
  • Überwachung der Nierenfunktion, da die Ausscheidung der Toxine über die Nieren erfolgt und diese belasten kann.
  • Anpassung der Ernährung während der Rekonvaleszenz, gegebenenfalls leicht verdauliche Kost bei anhaltenden gastrointestinalen Symptomen.
  • Strenge Ruhighaltung in den ersten Tagen nach der Vergiftung, um das Herz-Kreislauf-System zu schonen.

Langfristig sollten Tierbesitzer präventive Maßnahmen ergreifen, um eine erneute Vergiftung zu verhindern. Dazu gehört hauptsächlich die Entfernung von Fingerhut und anderen giftigen Pflanzen aus dem Garten oder die sichere Einzäunung entsprechender Bereiche.

Zusammenfassung

Vergiftungen durch Fingerhut (Digitalis purpurea) stellen bei Hunden und Katzen einen medizinischen Notfall dar. Die in allen Pflanzenteilen enthaltenen herzwirksamen Glykoside beeinflussen die Herzfunktion durch Hemmung der Natrium-Kalium-ATPase, was zu einer verstärkten Herzkontraktion und verlangsamten Erregungsleitung führt. Bei Überdosierung resultieren lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen.

Die Symptomatik umfasst initial gastrointestinale Beschwerden wie Erbrechen und Durchfall, gefolgt von kardialen Symptomen (Arrhythmien, Bradykardie) und neurologischen Auffälligkeiten. Besonders gefährdet sind Katzen aufgrund ihrer eingeschränkten Glukuronidierungsfähigkeit sowie Hunde mit MDR-1-Gendefekt.

Die Diagnose basiert auf der Anamnese, klinischen Symptomen und kardiologischen Untersuchungen. Die Therapie konzentriert sich auf die Dekontamination mittels Erbrechen und Aktivkohle, die Stabilisierung des Herz-Kreislauf-Systems und die symptomatische Behandlung. Ein spezifisches Antidot (DigiFab) ist in der Veterinärmedizin in Deutschland leider nicht routinemäßig verfügbar.

Bei frühzeitiger Behandlung ist die Prognose vorsichtig günstig, wobei die Nachsorge regelmäßige kardiologische Kontrollen umfassen sollte. Präventionsmaßnahmen wie die Entfernung giftiger Pflanzen aus dem Umfeld der Haustiere sind hilfreich, um Vergiftungsfälle zu vermeiden.

Ausblick auf Forschung

Die Forschung zu Fingerhut-Vergiftungen bei Haustieren entwickelt sich kontinuierlich weiter. Aktuelle Studien konzentrieren sich auf mehrere Bereiche:

In der Toxikologie werden neue Nachweismethoden für Herzglykoside entwickelt, die schnellere und präzisere Diagnosen ermöglichen sollen. Point-of-Care-Tests könnten in Zukunft den Nachweis von Digitoxin und Digoxin in der tierärztlichen Praxis vereinfachen und beschleunigen.

Im Bereich der Therapie wird an verbesserten Antidot-Strategien geforscht. Die Entwicklung von veterinärspezifischen Fab-Fragmenten gegen Herzglykoside könnte die Behandlungsmöglichkeiten revolutionieren. Zudem werden neue Formulierungen von Aktivkohle untersucht, die eine effizientere Bindung der Toxine im Magen-Darm-Trakt ermöglichen sollen.

Genetische Studien befassen sich mit der unterschiedlichen Empfindlichkeit verschiedener Tierrassen gegenüber Herzglykosiden. Neben dem bekannten MDR-1-Gendefekt werden weitere genetische Faktoren erforscht, die den Metabolismus und die Toxizität von Herzglykosiden beeinflussen könnten.

In der präventiven Veterinärmedizin werden digitale Hilfsmittel wie Apps zur Identifikation giftiger Pflanzen entwickelt, die Tierbesitzern helfen sollen, potenzielle Gefahren im Garten oder auf Spaziergängen zu erkennen. Zudem werden Bildungsmaßnahmen für Tierbesitzer evaluiert, um das Bewusstsein für Pflanzenvergiftungen zu schärfen.

Die Erforschung der langfristigen Folgen überlebter Fingerhut-Vergiftungen ist ein weiteres wichtiges Feld. Hier geht es um die Frage, ob und in welchem Ausmaß subklinische Herzschäden nach einer überstandenen Vergiftung auftreten können und wie diese frühzeitig erkannt und behandelt werden können.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

  1. Wie erkenne ich eine Fingerhutvergiftung bei meinem Haustier?
    Achten Sie auf plötzliches Erbrechen, Speicheln, Durchfall, Schwäche, unregelmäßigen Herzschlag und Gangunsicherheiten. Bei Verdacht sollten Sie umgehend einen Tierarzt aufsuchen.
  2. Kann ich eine Vergiftung zu Hause behandeln?
    Nein, eine Fingerhutvergiftung ist ein medizinischer Notfall, der sofortige tierärztliche Behandlung erfordert. Selbstbehandlungsversuche können gefährlich sein.
  3. Ist eine Vergiftung mit Fingerhut immer tödlich?
    Nein, bei frühzeitiger Behandlung haben viele Tiere gute Überlebenschancen. Unbehandelt kann die Vergiftung jedoch zum Tod durch Herzstillstand führen.
  4. Ist Fingerhut auch getrocknet noch giftig?
    Ja, die Giftstoffe bleiben in getrockneten Pflanzenteilen aktiv und können sogar konzentrierter vorliegen als in frischen Pflanzen.
  5. Welche Tiere sind besonders gefährdet durch eine Fingerhut-Vergiftungen?
    Katzen und Hunde mit MDR-1-Gendefekt (wie Collies) sind besonders empfindlich. Junge, neugierige Tiere haben ein höheres Risiko, Pflanzenteile zu fressen.
  6. Wie lange dauert die Erholung nach einer Fingerhut-Vergiftung?
    Bei erfolgreicher Behandlung klingen die Symptome meist innerhalb von 2–3 Tagen ab. Die vollständige Erholung kann jedoch 1–2 Wochen dauern.
  7. Kann ich meinen Garten haustierfreundlich gestalten?
    Ja, verzichten Sie auf giftige Pflanzen wie Fingerhut oder pflanzen Sie diese in eingezäunten Bereichen, zu denen Ihre Haustiere keinen Zugang haben.
  8. Gibt es rassenspezifische Unterschiede in der Empfindlichkeit gegenüber Fingerhut?
    Ja, Hunde mit MDR-1-Gendefekt (besonders Collies, Australian Shepherds und verwandte Rassen) sind empfindlicher gegenüber Herzglykosiden.
  9. Kann eine überstandene Fingerhut-Vergiftung Langzeitschäden verursachen?
    Ja, in einigen Fällen können dauerhafte Herzschäden zurückbleiben, weshalb regelmäßige kardiologische Kontrollen nach einer Vergiftung wichtig sind.

Welche anderen Pflanzen enthalten ähnliche Giftstoffe wie der Fingerhut?
Maiglöckchen, Oleander, Christrose und Meerzwiebel enthalten ebenfalls herzwirksame Glykoside und können ähnliche Vergiftungssymptome verursachen.

Literatur

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