Chemikalien im Auge (Verätzung am Auge)

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Eine Verätzung am Auge stellt eine schwerwiegende Verletzung dar, bei der chemische Substanzen mit den empfindlichen Geweben des Auges in Kontakt kommen und diese schädigen. Das Auge von Hunden und Katzen besteht aus verschiedenen hochsensiblen Strukturen, die bei Kontakt mit ätzenden Substanzen schnell und nachhaltig geschädigt werden können. Die Hornhaut (Cornea), die Bindehaut (Konjunktiva) und die Lederhaut (Sklera) sind besonders gefährdet, da sie die äußeren Schutzschichten des Auges bilden und somit als erste mit Chemikalien in Berührung kommen.

Die Schwere einer Verätzung wird maßgeblich durch drei Faktoren bestimmt: die Art der Chemikalie, ihre Konzentration und die Einwirkdauer. Besonders problematisch sind dabei Laugen (alkalische Substanzen), da sie tiefer ins Gewebe eindringen als Säuren und somit oft schwerere Schäden verursachen. Während Säuren an der Oberfläche eine Koagulationsnekrose hervorrufen, die das weitere Eindringen begrenzt, führen Laugen zu einer Kolliquationsnekrose, die ein tieferes Eindringen ermöglicht und somit schwerwiegendere Langzeitfolgen haben kann.

Ursachen

Verätzungen am Auge bei Haustieren entstehen durch den Kontakt mit verschiedenen chemischen Substanzen, die im Haushalt, Garten oder in der Garage zu finden sind. Die häufigsten Ursachen lassen sich in folgende Kategorien einteilen:

Alkalische Substanzen (Laugen) stellen die gefährlichste Gruppe dar. Hierzu zählen Reinigungsmittel wie Abflussreiniger, Backofen- und Grillreiniger, Waschmittel, Ammoniakverbindungen und Bauchemikalien wie Zement, Kalk und Beton. Diese Substanzen haben einen pH-Wert über 7 und können besonders tief ins Augengewebe eindringen, da sie Proteine und Fette verflüssigen.

Saure Substanzen mit einem pH-Wert unter 7 umfassen Batteriesäure, Rostentferner, Schwimmbadchemikalien, Toilettenreiniger und bestimmte Obstessige in hoher Konzentration. Obwohl Säuren tendenziell oberflächlichere Schäden verursachen als Laugen, können sie dennoch erhebliche Verletzungen hervorrufen.

Organische Lösungsmittel wie Benzin, Terpentin, Nagellackentferner und Frostschutzmittel entziehen dem Gewebe Fette und können dadurch die Lipidschicht der Hornhaut zerstören. Dies führt zu einer erhöhten Durchlässigkeit für andere Schadstoffe.

Bei Hunden und Katzen bestehen zusätzliche rassenspezifische Risiken. Brachyzephale (kurzköpfige) Rassen wie Mops, Französische Bulldogge oder Perserkatzen haben anatomisch bedingt hervorstehende Augen, die weniger durch die Augenhöhle geschützt sind und somit einem höheren Verletzungsrisiko ausgesetzt sind. Zudem können verhaltensbedingte Faktoren wie das Schnüffeln in Abfallbehältern oder das Erkunden von Garagen und Werkstätten das Risiko für Augenverätzungen erhöhen.

Symptome

  • Starke Schmerzen
  • Beeinträchtigung des Sehvermögens bis zum Sehverlust
  • Verstärkte Durchblutung der Bindehaut oder aber eine
  • Blasse Bindehaut bei Zerstörung der Gefäße und dadurch reduzierte Durchblutung der Region
  • Ödeme der Augenlider und/oder der Bindehaut
  • Krampfhafter Lidschluss (Blepharospasmus)
  • Hornhauttrübung (Fischauge)

Die Symptome einer Augenverätzung bei Hunden und Katzen treten in der Regel unmittelbar nach dem Kontakt mit der schädigenden Substanz auf und können je nach Schweregrad und Art der Chemikalie variieren. Zu den charakteristischen Anzeichen gehören:

Akute Schmerzäußerungen sind oft das erste erkennbare Symptom. Betroffene Tiere zeigen Unruhe, Jaulen oder Winseln und versuchen, mit den Pfoten am Auge zu reiben. Ein krampfhafter Lidschluss (Blepharospasmus) tritt als Schutzreaktion auf und kann so stark sein, dass das Tier das Auge kaum öffnen kann.

Die Bindehaut (Konjunktiva) reagiert mit starker Rötung (Hyperämie) durch verstärkte Durchblutung. Bei sehr schweren Verätzungen kann jedoch auch eine blasse Bindehaut auftreten, wenn die Blutgefäße bereits zerstört wurden. Eine vermehrte Tränenproduktion (Epiphora) ist ein weiterer Versuch des Körpers, die schädigende Substanz auszuspülen.

An der Hornhaut können verschiedene Veränderungen beobachtet werden. Eine Hornhauttrübung (auch als „Fischauge“ bezeichnet) entsteht durch Schädigung des normalerweise transparenten Hornhautgewebes. Bei schweren Verätzungen können Hornhauterosionen oder sogar Ulzerationen (tiefere Defekte) auftreten. In fortgeschrittenen Fällen kann es zur Perforation der Hornhaut kommen.

Die Augenlider und die Bindehaut können stark anschwellen (Ödem) und in schweren Fällen können Gewebsnekrosen entstehen. Eine Beeinträchtigung des Sehvermögens bis hin zum vollständigen Sehverlust ist möglich, wobei das Tier Anzeichen wie unsicheres Gehen oder Anstoßen an Gegenstände zeigen kann.

Bei Katzen und Hunden können sich die Symptome leicht unterscheiden. Katzen neigen dazu, sich bei Augenschmerzen zurückzuziehen und ihre Beschwerden zu verbergen, während Hunde häufiger offensichtliche Schmerzreaktionen zeigen. Daher ist bei Katzen besondere Aufmerksamkeit geboten, um Augenverätzungen frühzeitig zu erkennen.

Erste Hilfe

  • Sind Chemikalien in die Augen gelangt, spülen Sie das betroffene Auge so schnell wie möglich, sehr lange (mindestens 15 min) unter fließendem, lauwarmem oder kaltem Wasser. Notfalls gehen auch nicht alkoholische Getränke.
  • Ausnahme: Nicht gespült wird, wenn Kalk in das Auge gelangt ist. Diesen muss mechanisch entfernt werden. Beim Spülen mit Wasser würde eine stark ätzende Lauge entstehen, die ihrerseits zu starken Schäden führen würde.
  • Versuchen Sie, die Lider zu öffnen. Wenn Ihr Tier nicht kooperativ ist, versuchen Sie dennoch zu spülen, auch wenn Sie Abstriche bei der Sorgfalt machen müssen.
  • Versuchen Sie, in der Nähe des Auges zu spülen, sodass das Wasser wenigstens über die Augen läuft.
  • Drehen Sie den Kopf des Tieres so, dass das betroffene Auge tiefer liegt, damit keine Spülflüssigkeit in das gesunde Auge fließen kann.
  • Reiben Sie jedoch nicht.
  • Verwenden Sie keine Augenmedikamente ohne die Empfehlung eines Tierarztes.
  • Nehmen Sie den Behälter der Chemikalie mit oder notieren Sie sich den Text des Etikettes.

Weitere tieräztliche Maßnahmen

Stellen Sie Ihr Tier sofort einem Tierarzt vor. Verätzungen am Auge sind ein augenärztlicher Notfall!

Die Behandlung von Augenverätzungen bei Hunden und Katzen erfordert ein schnelles und systematisches Vorgehen. Die Erstversorgung beginnt idealerweise bereits durch den Tierhalter mit einer sofortigen und ausgiebigen Spülung des betroffenen Auges. Diese sollte mit reichlich lauwarmem Wasser oder physiologischer Kochsalzlösung für mindestens 15-20 Minuten erfolgen. Wichtig ist, den Kopf des Tieres so zu positionieren, dass die Spülflüssigkeit vom betroffenen zum nicht betroffenen Auge abfließt, um eine Kontamination des gesunden Auges zu vermeiden.

In der tierärztlichen Praxis wird die Spülung intensiviert und unter kontrollierten Bedingungen fortgesetzt. Hierbei kommen spezielle Augenspüllösungen mit physiologischem pH-Wert zum Einsatz. Bei Laugenverätzungen kann eine längere Spülung von bis zu 60 Minuten erforderlich sein, da diese tiefer ins Gewebe eindringen. Nach der Spülung wird der pH-Wert der Augenoberfläche kontrolliert und die Spülung bei Bedarf fortgesetzt, bis ein physiologischer Wert erreicht ist.

Die medikamentöse Therapie umfasst mehrere Komponenten: Topische Antibiotika in Form von Augentropfen oder -salben dienen der Infektionsprophylaxe, da die geschädigte Hornhaut anfälliger für bakterielle Infektionen ist. Häufig werden Breitbandantibiotika wie Ofloxacin oder Chloramphenicol eingesetzt. Zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung werden nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAIDs) lokal und systemisch verabreicht. Bei schweren Verätzungen können auch Kortikosteroide unter strenger tierärztlicher Kontrolle zum Einsatz kommen, um die Entzündungsreaktion zu dämpfen.

Zur Unterstützung der Hornhauthealing werden Tränenersatzmittel und gegebenenfalls Kollagenasehemmer eingesetzt, die den Abbau des Hornhautgewebes verlangsamen. Bei tieferen Hornhautdefekten können spezielle Verbandskontaktlinsen oder temporäre Nickhautschürzen angebracht werden, um die Heilung zu fördern.

In schweren Fällen mit Hornhautperforation oder ausgedehnter Gewebszerstörung können chirurgische Eingriffe wie Bindehautlappen, Hornhauttransplantationen oder in letzter Konsequenz sogar eine Enukleation (Entfernung des Augapfels) notwendig werden.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

  1. Wie erkenne ich eine mögliche Verätzung am Auge?
    Anzeichen sind starkes Blinzeln, verstärkter Tränenfluss, Rötung, Schwellung, Schmerzen und eventuell krampfhaftes Zukneifen des Auges. Manchmal tritt sogar eine Trübung der Hornhaut auf.
  2. Was sollte ich bei einer chemischen Augenverletzung sofort tun?
    Das betroffene Auge möglichst sofort und gründlich (mindestens 10–15 Minuten) mit lauwarmem Wasser oder steriler Kochsalzlösung spülen, dabei den Kopf so halten, dass das kontaminierte Wasser abfließen kann.
  3. Welche Chemikalien sind besonders gefährlich?
    Laugen (z. B. Reinigungsmittel, Abflussreiniger) und Säuren (z. B. Batteriesäure) verursachen oft schwere Schäden. Reizende Substanzen in Haushalts- oder Gartenchemikalien können ebenfalls erhebliche Verletzungen hervorrufen.
  4. Warum ist eine rasche tierärztliche Behandlung essenziell?
    Verätzungen können die Hornhaut und tiefer liegende Strukturen schädigen. Schnelle und richtige Behandlung (Spülung, Medikamente, Schmerztherapie) kann gravierende Langzeitschäden verhindern.
  5. Wie sehen mögliche Folgeschäden nach einer Verätzung aus?
    Hornhautnarben, chronische Entzündungen, verminderte Sehfähigkeit bis hin zur Erblindung können auftreten. Nach Verätzungen ist eine engmaschige tierärztliche Kontrolle angebracht.

Literatur

  • Schrage, N. & Struck, H.G.: Leitlinie zur Behandlung von Verätzungen und Verbrennungen der Augen und der Lider / Verätzungen und Verbrennungen der Augen: Empfehlungen zur Behandlung AAD 2016 (Stand: 2016)
  • https://www.augenaerzte-aarau.ch/veraetzungen-der-augen/
  • Löwe, G. und Löwe, O., 2021. Notfälle bei Hund und Katze – Ein tierärztlicher Ratgeber. Kreuztal: Kynos-Verlag.
  • Maggs, D.J., Miller, P.E. und Ofri, R., 2017. Slatter’s Fundamentals of Veterinary Ophthalmology. 6. Auflage. St. Louis: Elsevier.
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  • Merck & Co., 2020. Merck Veterinary Manual. 11. Auflage. Kenilworth: Merck Publishing.
  • Fossum, T.W., 2018. Small Animal Surgery. 5. Auflage. St. Louis: Elsevier.