Reisekrankheit

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Die Reisekrankheit, in der Fachsprache als Kinetose bezeichnet, ist ein physiologisches Phänomen, das sowohl bei Hunden als auch bei Katzen auftreten kann. Es handelt sich um eine vorübergehende Störung des Gleichgewichtssinns, die durch ungewohnte oder widersprüchliche Bewegungsreize ausgelöst wird. Der Vestibularapparat im Innenohr, der für die Wahrnehmung von Bewegung und räumlicher Orientierung verantwortlich ist, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Bei der Reisekrankheit kommt es zu einer Diskrepanz zwischen den visuellen Eindrücken und den vom Gleichgewichtsorgan wahrgenommenen Bewegungen. Das Gehirn erhält dadurch widersprüchliche Informationen, was zu den typischen Symptomen führt. Obwohl die Reisekrankheit selbst keine gefährliche Erkrankung darstellt, kann sie für betroffene Tiere sehr unangenehm sein und in manchen Fällen zur Dehydratation durch wiederholtes Erbrechen führen.

Das Wichtigste auf einen Blick

Die Reisekrankheit ist eine häufige, durch Bewegungsreize ausgelöste Störung bei Hunden und Katzen, die durch einen Konflikt zwischen visuellen Eindrücken und den Wahrnehmungen des Gleichgewichtsorgans entsteht. Charakteristische Symptome umfassen Unruhe, verstärkte Speichelbildung, Würgen und Erbrechen während oder nach Transportereignissen. Die Diagnose wird primär anhand der Anamnese und des klinischen Bildes gestellt, wobei andere Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik ausgeschlossen werden müssen. Therapeutisch steht ein multimodaler Ansatz im Vordergrund, der medikamentöse Optionen wie Maropitant mit nicht medikamentösen Maßnahmen wie Desensibilisierung, optimaler Positionierung im Fahrzeug und angepasstem Fütterungsmanagement kombiniert. Die Prognose ist generell gut, und viele Tiere entwickeln mit zunehmendem Alter eine natürliche Toleranz. Durch konsequente Anwendung präventiver Strategien und bei Bedarf medikamentöser Unterstützung kann die Reisekrankheit in den meisten Fällen effektiv kontrolliert werden, sodass gemeinsame Reisen mit dem Haustier ohne größere Einschränkungen möglich sind.

Ursachen

Die sogenannte Reisekrankheit ist auch bei Tieren weitverbreitet. Sie wird durch Störungen des Gleichgewichtssinns ausgelöst.
Ursächlich dafür kommen Bewegungsreize, wie Autofahren oder der Aufenthalt in einem Flugzeug oder auf einem Schiff, in Betracht (Abb.).

Ergänzung

Die Reisekrankheit bei Hunden und Katzen entsteht primär durch eine Stimulation des Vestibularapparats im Innenohr während der Fortbewegung. Der grundlegende Mechanismus beruht auf einem Konflikt zwischen verschiedenen Sinneseindrücken: Was das Tier sieht, stimmt nicht mit dem überein, was sein Gleichgewichtssinn wahrnimmt. Besonders häufig tritt dies bei Autofahrten auf, wenn das Tier im Fahrzeug sitzt und die Umgebung sich scheinbar bewegt, während der Körper selbst relativ still ist. Verschiedene Faktoren können die Anfälligkeit für eine Reisekrankheit beeinflussen. Genetische Prädispositionen spielen eine Rolle, wobei bestimmte Hunderassen wie Beagle, Cocker Spaniel und Dackel häufiger betroffen sind. Bei Katzen scheint die Rasse weniger ausschlaggebend zu sein. Das Alter ist ein weiterer wichtiger Faktor – Welpen und Jungtiere sind generell anfälliger als erwachsene Tiere, da ihr Vestibularsystem noch nicht vollständig entwickelt ist. Auch psychologische Komponenten wie Angst und Stress können die Symptome verstärken oder sogar auslösen. Frühere negative Erfahrungen mit Transportmitteln können zu einer Konditionierung führen, bei der das Tier bereits vor Fahrtbeginn Anzeichen von Unwohlsein zeigt.

Symptome

  • Jammern
  • Verstärkte Speichelbildung
  • Schwindel (Taumeln)
  • Erbrechen

Die klinischen Anzeichen der Reisekrankheit können bei Hunden und Katzen variieren, folgen jedoch einem charakteristischen Muster. Zu den frühen Symptomen zählt häufig eine gesteigerte Unruhe – das Tier kann nicht still sitzen, winselt oder miaut vermehrt und zeigt deutliche Anzeichen von Unbehagen. Ein besonders typisches Symptom ist die verstärkte Speichelproduktion (Hypersalivation). Betroffene Tiere lecken sich häufig die Lippen, und Speichelfäden können vom Maul herabhängen. Mit fortschreitender Reisekrankheit kann es zu Würgen und schließlich zu Erbrechen kommen, was den Höhepunkt der Symptomatik darstellt. Einige Tiere zeigen auch Anzeichen von Schwindel, was sich in unsicherem Gang oder Taumeln äußern kann, wenn sie während einer Pause aus dem Fahrzeug genommen werden. Bei Katzen kann zudem ein verstärktes Hecheln beobachtet werden, was untypisch für diese Spezies ist und auf starkes Unwohlsein hindeutet. In schweren Fällen kann es zu Durchfall kommen, was zusammen mit wiederholtem Erbrechen zu einer Dehydratation führen kann. Manche Tiere reagieren mit Lethargie und ziehen sich zurück, während andere mit verstärkter Nervosität und sogar Aggression reagieren können.

Erste Hilfe

  • Empfehlungen, wie sie für den Menschen gelten, können Sie beim Tier nicht umsetzen. Am ehesten können Sie organisieren, dass Ihr Tier in Fahrtrichtung ausgerichtet ist.
  • Versuchen Sie, Ihr Tier allmählich an eine Reise im Auto zu gewöhnen
  • Füttern Sie Ihr Tier vor Reiseantritt nicht.
  • Geben Sie Ihrem Tier spätestens 30 Minuten vor Reiseantritt eine „Reisetablette“ vom Tierarzt und halten Sie sich an die Dosierung. Es kann zu Schläfrigkeit und Benommenheit bei Ihrem Tier kommen.
  • Unterbrechen Sie eine längere Fahrt öfter und nehmen Sie Ihr Tier in dieser Zeit aus dem Auto.
  • Achten Sie bei längeren Fahrten auf genügend Wasser für Ihr Tier

Diagnose

Die Diagnose der Reisekrankheit bei Hunden und Katzen basiert hauptsächlich auf der Anamnese und dem klinischen Bild. Eine ausführliche Befragung des Tierhalters zu den beobachteten Symptomen und deren zeitlichen Zusammenhang mit Transportereignissen ist entscheidend. Typischerweise berichten Besitzer von Symptomen wie Unruhe, vermehrtem Speicheln und Erbrechen, die spezifisch während oder kurz nach Fahrten auftreten und sich in Ruhephasen bessern. Der Tierarzt führt eine gründliche klinische Untersuchung durch, um andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der neurologischen Untersuchung, insbesondere des Vestibularsystems, um strukturelle Erkrankungen des Gleichgewichtsorgans zu erkennen. In Zweifelsfällen können weiterführende diagnostische Verfahren wie Blutuntersuchungen, bildgebende Verfahren (Röntgen, CT, MRT) oder eine otoskopische Untersuchung des Gehörgangs notwendig sein, um andere Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik auszuschließen. Dazu gehören Mittelohrentzündungen, Vestibularsyndrom, Gehirntumore oder metabolische Störungen. Die Diagnose „Reisekrankheit“ wird letztlich als Ausschlussdiagnose gestellt, wenn andere Ursachen für die Symptomatik unwahrscheinlich sind und ein klarer zeitlicher Zusammenhang mit Transportereignissen besteht.

Weitere tieräztliche Maßnahmen

Die Behandlung der Reisekrankheit bei Hunden und Katzen umfasst sowohl medikamentöse als auch nicht medikamentöse Ansätze. Zu den wichtigsten pharmakologischen Optionen gehört Maropitant (Cerenia®), ein Neurokinin-1-Rezeptorantagonist, der speziell für die Veterinärmedizin entwickelt wurde und sehr effektiv gegen Übelkeit und Erbrechen wirkt. Es sollte idealerweise etwa zwei Stunden vor Reiseantritt verabreicht werden und wirkt bis zu 24 Stunden. Antihistaminika wie Diphenhydramin können ebenfalls eingesetzt werden, haben jedoch eine sedative Wirkung und sollten mit Vorsicht dosiert werden. Bei besonders ängstlichen Tieren können in Absprache mit dem Tierarzt auch Anxiolytika wie Alprazolam oder Trazodone zum Einsatz kommen, um die Stresskomponente zu reduzieren.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen spielen eine ebenso wichtige Rolle. Eine schrittweise Desensibilisierung durch kurze, positive Fahrten kann langfristig die Toleranz verbessern. Die richtige Positionierung im Fahrzeug – idealerweise mit Blick nach vorn und möglichst wenig Seitenbewegungen – kann die Symptome lindern. Eine gute Belüftung im Fahrzeug ist essenziell, da Überhitzung und schlechte Luft die Symptome verstärken können. Vor längeren Fahrten sollte das Tier nur leicht gefüttert werden, idealerweise 3–4 Stunden vor Reiseantritt. Regelmäßige Pausen alle 2–3 Stunden ermöglichen dem Tier, sich zu bewegen und zu entspannen. Bei manchen Tieren können auch natürliche Ansätze wie Ingwer oder spezielle Pheromone (Adaptil® für Hunde, Feliway® für Katzen) unterstützend wirken, wobei die wissenschaftliche Evidenz hierfür begrenzt ist.

Prognose und Nachsorge

Die Prognose für Tiere mit Reisekrankheit ist grundsätzlich gut, da es sich um keine lebensbedrohliche Erkrankung handelt. Mit zunehmendem Alter entwickeln viele Tiere eine natürliche Toleranz gegenüber den auslösenden Bewegungsreizen. Bei konsequenter Anwendung präventiver Maßnahmen und gegebenenfalls medikamentöser Unterstützung können die meisten betroffenen Tiere problemlos transportiert werden. Die langfristige Nachsorge konzentriert sich auf die kontinuierliche Gewöhnung des Tieres an Transportmittel durch positive Konditionierung. Regelmäßige kurze Fahrten mit angenehmen Erlebnissen am Zielort können helfen, negative Assoziationen abzubauen. Bei wiederkehrenden Problemen sollte ein individueller Behandlungsplan mit dem Tierarzt erstellt werden, der sowohl verhaltenstherapeutische als auch medikamentöse Komponenten umfassen kann. Besonders wichtig ist die Beobachtung des Tieres während längerer Reisen, um Anzeichen von Dehydratation oder übermäßigem Stress frühzeitig zu erkennen. Tierhalter sollten ein Reisetagebuch führen, in dem sie dokumentieren, welche Maßnahmen bei ihrem Tier wirksam sind und welche nicht. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Optimierung des Managements und kann bei Konsultationen mit dem Tierarzt wertvolle Informationen liefern.

Ausblick auf aktuelle Forschung

Die Forschung zur Reisekrankheit bei Haustieren entwickelt sich kontinuierlich weiter. Aktuelle Studien konzentrieren sich auf ein tieferes Verständnis der neurophysiologischen Grundlagen der Kinetose bei verschiedenen Tierarten. Forscher untersuchen die spezifischen neuronalen Schaltkreise, die bei der Entstehung der Reisekrankheit eine Rolle spielen, was zu gezielteren Behandlungsansätzen führen könnte. Ein vielversprechender Forschungsbereich ist die Entwicklung neuer Antiemetika mit geringeren Nebenwirkungen und längerer Wirkdauer. Studien zu modifizierten Freisetzungsformen von Maropitant könnten zu Präparaten führen, die nur einmal wöchentlich verabreicht werden müssen, was die Compliance der Tierhalter verbessern würde. Zunehmend rücken auch nicht pharmakologische Interventionen in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen. Verhaltenstherapeutische Protokolle zur systematischen Desensibilisierung werden optimiert und standardisiert, um ihre Wirksamkeit zu erhöhen. Innovative Ansätze wie die Anwendung von Akupressur oder speziellen Druckbandagen werden in klinischen Studien evaluiert, wobei erste Ergebnisse auf eine mögliche unterstützende Wirkung hindeuten. Die Rolle des Mikrobioms bei der Anfälligkeit für Reisekrankheit ist ein weiteres aufstrebendes Forschungsgebiet. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Zusammensetzung der Darmflora die Empfindlichkeit des Vestibularsystems beeinflussen könnte, was möglicherweise neue präventive Ansätze durch gezielte probiotische Interventionen eröffnen würde.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

  1. Können alle Hunde und Katzen reisekrank werden oder gibt es besonders anfällige Tiere?
    Grundsätzlich kann jedes Tier reisekrank werden, aber es gibt genetische Prädispositionen. Bei Hunden sind besonders Beagle, Cocker Spaniel und kleinere Rassen anfällig. Jungtiere leiden häufiger unter Reisekrankheit als erwachsene Tiere.
  2. Wie lange vor der Reise sollte ich meinem Tier kein Futter mehr geben?
    Idealerweise sollten Sie die letzte größere Mahlzeit 3–4 Stunden vor Reiseantritt anbieten. Ein leerer Magen reduziert das Risiko für Erbrechen, aber vermeiden Sie komplettes Fasten, da dies zu Magensäureüberschuss führen kann.
  3. Wie erkenne ich den Unterschied zwischen Reisekrankheit und anderen Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen?
    Der zeitliche Zusammenhang mit dem Transport ist entscheidend. Bei Reisekrankheit treten die Symptome während oder kurz nach der Fahrt auf und bessern sich in Ruhephasen. Persistieren die Symptome auch ohne Bewegungsreize, sollten andere Erkrankungen abgeklärt werden.
  4. Kann mein Tier eine Reisekrankheit „überwinden“ oder bleibt diese lebenslang bestehen?
    Viele Tiere entwickeln mit zunehmendem Alter und positiven Erfahrungen eine natürliche Toleranz. Durch systematische Desensibilisierung kann die Reisekrankheit bei vielen Tieren deutlich verbessert oder sogar überwunden werden.
  5. Sind natürliche Mittel wie Ingwer oder Kamille bei Reisekrankheit wirksam?
    Es gibt Hinweise auf eine milde, antiemetische Wirkung von Ingwer. Die wissenschaftliche Evidenz ist jedoch begrenzt. Bei leichter Reisekrankheit können solche natürlichen Ansätze unterstützend wirken, bei schweren Fällen sind verschreibungspflichtige Medikamente meist effektiver.
  6. Wie kann ich mein Tier am besten an Autofahrten gewöhnen?
    Beginnen Sie mit sehr kurzen Fahrten (1–2 Minuten) zu positiven Zielen wie einem Park. Steigern Sie die Dauer schrittweise und belohnen Sie ruhiges Verhalten. Schaffen Sie positive Assoziationen durch Lieblingsspielzeug oder Leckerlis im Auto (wenn nicht unmittelbar vor der Fahrt).
  7. Ist es besser, wenn mein Tier während der Fahrt aus dem Fenster schauen kann?
    Für manche Tiere kann der Blick nach draußen hilfreich sein, da die visuelle Orientierung an der Umgebung die sensorische Diskrepanz verringern kann. Andere Tiere fühlen sich in einer abgedunkelten Transportbox wohler. Probieren Sie beides aus und beobachten Sie, was Ihrem Tier besser bekommt.
  8. Können Medikamente gegen Reisekrankheit Nebenwirkungen haben?
    Ja, mögliche Nebenwirkungen von Antiemetika und Beruhigungsmitteln sind Sedierung, Lethargie, in seltenen Fällen paradoxe Erregung oder allergische Reaktionen. Besprechen Sie die Risiken mit Ihrem Tierarzt und testen Sie zunächst neue Medikamente in einer sicheren Umgebung.

Literatur

  • Koch, A., I. Cascorbi, M. Westhofen, M. Dafotakis, S. Klapa, J. P. Kuhtz-Buschbeck: See- und Reisekrankheit. Therapeutische Strategien und neurophysiologische Aspekte der Kinetosen. Dtsch Arztebl Int 2018; 115, 687-96
  • Löwe, G. und Löwe, O. (2021). Notfälle bei Hund und Katze – Ein tierärztlicher Ratgeber. Kynos-Verlag. 208 S.
  • Elwood C, Devauchelle P, Elliott J, et al. Emesis in dogs: a review. Journal of Small Animal Practice. 2019;60(1):3-14. doi:10.1111/jsap.12989
  • Kenward H, Pelligand L, Savary-Bataille K, Elliott J. Nausea: current knowledge of mechanisms, measurement and clinical impact. Veterinary Journal. 2015;203(1):36-43. doi:10.1016/j.tvjl.2014.10.007
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Manche Katzen reisen gern, andere leiden unter der Reisekrankheit.