Bissverletzung

Inhalt
Download/Drucken

Bissverletzungen bei Hunden und Katzen stellen eine der häufigsten traumatischen Verletzungsarten in der Kleintiermedizin dar. Diese Verletzungen entstehen durch das Eindringen der Zähne eines Tieres in die Haut und das darunterliegende Gewebe eines anderen Tieres. Charakteristisch für Bissverletzungen ist ihre komplexe Natur: Während an der Hautoberfläche oft nur kleine Punktionswunden sichtbar sind, kann sich darunter ein erheblicher Gewebeschaden verbergen. Die Zähne von Hunden und Katzen wirken wie Injektionsnadeln, die Bakterien tief ins Gewebe transportieren. Bei Hunden führt die Kombination aus Quetschung und Punktion zu ausgedehnteren Gewebeschäden, während bei Katzen die nadelartigen Zähne tiefe, aber schmale Wunden verursachen. Diese Unterschiede sind entscheidend für die Beurteilung und Behandlung von Bissverletzungen. Besonders gefährlich sind Bissverletzungen in der Nähe von Gelenken, im Brustkorb- oder Bauchbereich sowie im Bereich des Kopfes und Halses, da hier lebenswichtige Strukturen betroffen sein können.

Das Wichtigste auf einen Blick

Bissverletzungen bei Hunden und Katzen sind komplexe Traumata, die trotz oft unscheinbarer äußerer Erscheinung schwerwiegende Folgen haben können. Die Besonderheit liegt in der Kombination aus mechanischer Gewebeschädigung und bakterieller Kontamination. Hundebisse verursachen typischerweise Quetsch- und Risswunden mit ausgedehnteren Gewebeschäden, während Katzenbisse durch ihre nadelartigen Zähne tiefe, aber schmale Punktionswunden erzeugen, die ein besonders hohes Infektionsrisiko bergen. Die Therapie umfasst chirurgische Wundversorgung, antibiotische Behandlung und adäquates Schmerzmanagement. Entscheidend für den Behandlungserfolg sind der Zeitpunkt der Versorgung, die gründliche Wundreinigung und das fachgerechte Debridement. Die Nachsorge mit regelmäßigen Wundkontrollen und konsequenter Medikamentengabe sind für eine komplikationslose Heilung uabdingbar. Besondere Aufmerksamkeit erfordern Bissverletzungen in der Nähe von Gelenken, im Thorax- oder Abdominalbereich sowie im Kopf-Hals-Bereich. Durch frühzeitige tierärztliche Versorgung und konsequente Nachsorge können die meisten Bissverletzungen erfolgreich behandelt werden und heilen ohne bleibende Schäden ab.

Ursachen

Die Ursachen für Bissverletzungen sind vielfältig und hängen stark vom sozialen Kontext und der Umgebung der Tiere ab. Bei Hunden entstehen Bissverletzungen häufig durch Rangordnungskämpfe, territoriale Auseinandersetzungen oder Ressourcenkonflikte um Futter, Spielzeug oder Aufmerksamkeit. Die möglichen Bissverletzungen sind abhängig von der Gesamtsituation, wie der Autorität des Besitzers, Hunde sind angeleint usw. Weiterhin von der Anzahl der beteiligten Hunde, der Größe des beißenden Hundes, seiner Aggressivität und der Beißkraft eines Hundes.

Die Beißkraft wird in PSI (pounds per square inch, engl. Pfund/Quadratzoll) gemessen. Sie liegt bei großen Hunden zwischen 195 (Malinois) und 740 (Kangal) PSI. Für den Deutschen Schäferhund wird beispielsweise eine Beißkraft von 220 PSI genannt.
Demgegenüber weist ein Mensch eine Beißkraft von 120 bis 130 PSI auf.
Die Aggressivität, d. h. wie lange ein Hund, wenn er gereizt wird, nur droht und ab wann er zubeißt, wurde von der American Temperament Test Society untersucht und auf deren Webseite https://atts.org aufgelistet. Dabei wiesen der Bearded Collie die höchste und der French Bulldog die niedrigste Reizschwelle auf.
Die Reizschwelle bei Hunden unterliegt jedoch nicht nur rassebedingten, sondern in hohem Maße auch individuellen Unterschieden.

Bei Katzen treten Bissverletzungen vorwiegend bei Revierkämpfen auf, besonders bei unkastrierten Katern. Auch mangelnde Sozialisierung, Angst oder Schmerz können bei beiden Tierarten zu Beißvorfällen führen. In Mehrtierhaushalten können plötzliche Spannungen zwischen zuvor verträglichen Tieren entstehen, oft ausgelöst durch Krankheit eines Tieres oder Veränderungen in der Gruppendynamik. Nicht zu unterschätzen sind auch Bissverletzungen durch Wildtiere wie Füchse oder Marder, die zusätzliche Infektionsrisiken mit sich bringen können.

Symptome

Bissverletzungen können banal oder aber auch lebensgefährlich für Ihr Tier sein.
Sie sind gekennzeichnet von Quetschungen und Zerreißungen und bluten oft sehr stark (Abb.).
Sie sind immer mit dem Eintrag von Keimen, manchmal auch von Haaren und anderen Fremdkörpern in die Wunde verbunden.
Sie reichen oft sehr tief, ohne dass man das immer von außen wahrnehmen kann.
Bisse von Katzen können unscheinbar aussehen, aber ebenfalls sehr tief eindringen. Sie weisen ein sehr hohes Infektionsrisiko auf.
Auch Quetschungen und Zerreißungen des Gewebes in der Tiefe können gefährlich sein, auch wenn von außen kaum etwas sichtbar ist.
Bisse können in den Brustkorb, die Bauchhöhle, in Gelenke, in einen Knochen oder andere sensible Strukturen, wie die Augen, Nasennebenhöhlen usw. eindringen und dort zu eitrigen Entzündungen führen.
Bissverletzungen sollten daher immer tierärztlich versorgt werden.

Erste Hilfe

  • Schneiden Sie die Haare um die Wunde herum ab.
  • Waschen Sie o b e r f l ä c h l i c h e Wunden gründlich mit frischem Leitungswasser und Seife aus und entfernen Sie sichtbare Fremdkörper. Dazu gibt es unterschiedliche Empfehlungen, doch Leitungswasser ist nahezu steril.
  • Sind Sie sich nicht sicher, ob der Brustkorb, die Bauchhöhle, Gelenke oder ähnlich sensible Strukturen verletzt wurden, waschen Sie die Wunde nicht aus.
  • Decken Sie die Wunde mit einem möglichst sterilen, leichten Verband ab. Schnüren Sie ihn nicht zu fest und lockern Sie ihn nach einer gewissen Zeit wieder.
  • Tragen Sie keine Salben auf.
  • Denken Sie möglichst noch vor Ort an rechtliche Konsequenzen und registrieren Sie ggf. die Kontaktdaten des Halters des beteiligten Hundes.

Diagnose

Die Diagnose von Bissverletzungen beginnt mit einer gründlichen Anamnese und klinischen Untersuchung. Der Tierarzt erfragt zunächst den Hergang des Vorfalls, sofern dieser beobachtet wurde, sowie den Zeitpunkt der Verletzung, da dies für die Behandlungsstrategie entscheidend ist. Bei der klinischen Untersuchung wird das Ausmaß der sichtbaren Verletzungen beurteilt, wobei das Fell im Bereich der Wunde geschoren werden muss, um alle Läsionen zu erkennen. Besonders wichtig ist die Palpation des umliegenden Gewebes, um Schwellungen, Emphyseme oder Krepitationen zu identifizieren. Bei tiefen oder komplexen Bissverletzungen können bildgebende Verfahren wie Röntgen, Ultraschall oder in speziellen Fällen CT oder MRT notwendig sein, um Fremdkörper, Luftansammlungen oder Organverletzungen zu erkennen. Laboruntersuchungen wie Blutbild und Entzündungsparameter helfen, den systemischen Zustand des Tieres zu beurteilen. Bei infizierten Wunden ist eine bakteriologische Untersuchung mit Antibiogramm sinnvoll, um die beteiligten Erreger zu identifizieren und eine gezielte Antibiotikatherapie einzuleiten. Die häufigsten Erreger bei Bissverletzungen sind Pasteurella multocida (besonders bei Katzenbissen), Staphylococcus spp., Streptococcus spp. und anaerobe Bakterien wie Bacteroides und Fusobacterium.

Weitere tieräztliche Maßnahmen

Suchen Sie noch am selben Tag einen Tierarzt auf.
Zähne und Speichel sind nicht steril. Es besteht ein hohes Infektionsrisiko.
Der Tierarzt kann die Art der Verletzung einschätzen. Manchmal sind es relativ triviale Verletzungen, bei denen eine lokale Behandlung und antibiotische Versorgung sowie eine Schmerzmedikation ausreichend sind.
Ein großer Teil von Bissverletzungen bedarf jedoch einer chirurgischen Versorgung in Vollnarkose, da es durch Quetschungen zu abgestorbenem Gewebe in der Tiefe oder zu Verletzungen an Gelenken, Sehnen und Bändern gekommen ist.
Neben einer angemessenen Versorgung wird der Tierarzt auch die Tetanusgefahr im Blick haben.
Bedenken Sie auch, dass in manchen Ländern Tollwut unter Tieren noch weit verbreitet ist.

Die Therapie von Bissverletzungen erfordert einen mehrstufigen Ansatz, der sich nach Schweregrad, Lokalisation und Zeitpunkt der Vorstellung richtet. Bei frischen Bissverletzungen (weniger als 6-8 Stunden alt) ist eine primäre chirurgische Versorgung anzustreben. Nach Einleitung einer Vollnarkose erfolgt zunächst eine gründliche Wundreinigung mit steriler Kochsalzlösung oder verdünnter antiseptischer Lösung. Das Debridement, also die Entfernung von devitalisiertem Gewebe, ist ein entscheidender Schritt, um Infektionen vorzubeugen. Bei tiefen Bisswunden werden Drainagen eingelegt, um Wundsekret abzuleiten und Toträume zu vermeiden. Die Entscheidung über einen primären Wundverschluss oder eine offene Wundbehandlung hängt vom Kontaminationsgrad, der verstrichenen Zeit seit der Verletzung und der Lokalisation ab. Generell gilt: Je kontaminierter die Wunde und je mehr Zeit seit der Verletzung vergangen ist, desto eher ist eine verzögerte Wundversorgung (delayed primary closure) oder sekundäre Wundheilung indiziert. Die antibiotische Therapie ist bei Bissverletzungen fast immer erforderlich und sollte breit wirksam sein, mit guter Wirksamkeit gegen grampositive, gramnegative und anaerobe Bakterien. Häufig verwendete Antibiotika sind Amoxicillin-Clavulansäure, Clindamycin in Kombination mit Fluorochinolonen oder Cephalosporine der dritten Generation. Die Schmerztherapie erfolgt mittels nichtsteroidaler Antiphlogistika (NSAIDs) oder bei starken Schmerzen durch Opioide. Bei bereits abszedierten Bissverletzungen ist eine Inzision, Drainage und Spülung erforderlich, gefolgt von einer antibiotischen Behandlung.

Prognose und Nachsorge

Die Prognose bei Bissverletzungen hängt maßgeblich von der Lokalisation, dem Ausmaß der Gewebeschädigung, dem Zeitpunkt der Behandlung und dem allgemeinen Gesundheitszustand des Tieres ab. Bei frühzeitiger und adäquater Versorgung ist die Prognose für oberflächliche Bissverletzungen generell gut. Komplikationen treten häufiger bei verzögerter Behandlung, bei immunsupprimierten Tieren oder bei Verletzungen in kritischen Bereichen wie Gelenken, Thorax oder Abdomen auf. Die Nachsorge spielt eine entscheidende Rolle für den Heilungserfolg. Regelmäßige Wundkontrollen sind erforderlich, um Anzeichen von Infektionen oder Heilungsstörungen frühzeitig zu erkennen. Der Verband sollte je nach Wundzustand alle 1–3 Tage gewechselt werden. Die antibiotische Therapie wird in der Regel für 7–14 Tage fortgeführt, bei schweren Infektionen auch länger. Zur Verhinderung von Selbsttraumatisierung ist häufig ein Halskragen oder ein Körperanzug notwendig. Die Aktivität des Tieres sollte während der Heilungsphase eingeschränkt werden, um die Wundheilung nicht zu beeinträchtigen. Bei der Nachsorge ist auch auf mögliche Spätfolgen wie Narbenbildung, Bewegungseinschränkungen oder chronische Schmerzen zu achten. In einigen Fällen können physiotherapeutische Maßnahmen notwendig sein, um die vollständige Funktionalität wiederherzustellen.

Ausblick auf aktuelle Forschung

Die Forschung zu Bissverletzungen bei Kleintieren entwickelt sich kontinuierlich weiter. Aktuelle Studien konzentrieren sich auf die Optimierung antimikrobieller Therapien angesichts zunehmender Antibiotikaresistenzen. Dabei werden lokale Wundauflagen mit antimikrobiellen Eigenschaften wie silber- oder honighaltige Präparate untersucht, die eine Alternative oder Ergänzung zur systemischen Antibiotikatherapie darstellen könnten. Im Bereich der Wundheilung gewinnen regenerative Therapieansätze an Bedeutung. Die Anwendung von Platelet-Rich Plasma (PRP) oder Stammzelltherapien zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung komplizierter Wunden und könnte zukünftig auch bei schweren Bissverletzungen zum Einsatz kommen. Neue bildgebende Verfahren wie hochauflösender Ultraschall und spezielle MRT-Sequenzen verbessern die Diagnostik, insbesondere bei der Beurteilung von Weichteilschäden und der frühzeitigen Erkennung von Infektionen. Auch im Bereich der Verhaltensmedizin wird intensiv geforscht, um Risikofaktoren für Beißvorfälle besser zu verstehen und präventive Maßnahmen zu entwickeln. Die Entwicklung standardisierter Protokolle für die Erstversorgung und Nachbehandlung von Bissverletzungen ist ein weiteres wichtiges Forschungsfeld, das zur Verbesserung der Behandlungsergebnisse beitragen soll.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

  1. Warum sind Katzenbisse oft gefährlicher als Hundebisse, obwohl sie kleiner erscheinen?
    Katzenzähne sind nadelartig und hinterlassen tiefe, aber schmale Punktionswunden, die sich schnell an der Oberfläche schließen. Dadurch werden Bakterien tief im Gewebe eingeschlossen, wo sie sich unter sauerstoffarmen Bedingungen vermehren können. Zudem enthält der Speichel von Katzen besonders aggressive Bakterien wie Pasteurella multocida.
  2. Wann sollte ich mit meinem Tier nach einer Bissverletzung zum Tierarzt?
    Jede Bissverletzung sollte tierärztlich untersucht werden, idealerweise innerhalb der ersten 6-8 Stunden. Auch kleine Wunden können sich infizieren oder tiefer reichen als äußerlich erkennbar.
  3. Kann ich eine Bisswunde selbst versorgen?
    Erste Hilfe wie vorsichtiges Reinigen mit Wasser ist sinnvoll, ersetzt aber nicht die tierärztliche Behandlung. Verwenden Sie keine Hausmittel oder Desinfektionsmittel ohne tierärztliche Anweisung.
  4. Warum werden Bisswunden oft nicht genäht?
    Bisswunden sind kontaminierte Wunden mit hohem Infektionsrisiko. Ein primärer Verschluss würde Bakterien einschließen und die Infektionsgefahr erhöhen. Daher werden sie oft offen gelassen oder mit Drainagen versorgt.
  5. Wie lange dauert die Heilung einer Bissverletzung?
    Die Heilungsdauer variiert je nach Schwere und Lokalisation zwischen einer und mehreren Wochen. Oberflächliche Wunden heilen schneller, während tiefe oder infizierte Wunden längere Zeit benötigen.
  6. Warum ist bei Bissverletzungen fast immer eine Antibiotikatherapie notwendig?
    Der Speichel von Tieren enthält zahlreiche potenziell pathogene Bakterien, die durch den Biss tief ins Gewebe gelangen. Eine prophylaktische Antibiotikagabe verhindert schwerwiegende Infektionen.
  7. Welche Komplikationen können bei Bissverletzungen auftreten?
    Mögliche Komplikationen sind Abszessbildung, Sepsis, Osteomyelitis, Arthritis, Pneumothorax (bei Thoraxverletzungen), Peritonitis (bei abdominalen Verletzungen) und in seltenen Fällen Tetanus.
  8. Kann mein Tier nach einer Bissverletzung wieder normal mit anderen Tieren zusammenleben?
    Nach vollständiger Heilung ist dies meist möglich, jedoch können traumatische Erfahrungen zu Verhaltensänderungen führen. Eine schrittweise, kontrollierte Wiedereinführung und gegebenenfalls verhaltenstherapeutische Unterstützung sind empfehlenswert.

Literatur

  1. Cray M, Berent LM, Weese JS. Treatment of Bite Wounds in Dogs and Cats. Journal of the American Animal Hospital Association. 2021;57(5):227-236.
  2. Jha S, Gupta P, Al-Sudani T, et al. Microbiology and antimicrobial susceptibility in dog and cat bite wounds: A systematic review. PLoS ONE. 2023;18(1):e0280577.
  3. Kagan R, Mickelson M. Bite Wound Infections. Veterinary Clinics of North America: Small Animal Practice. 2022;52(4):927-941.
  4. Nolff MC, Albert R, Reese S, Meyer-Lindenberg A. Comparison of negative pressure wound therapy and silver-coated foam dressings in open wound treatment in dogs: A prospective controlled clinical trial. Veterinary and Comparative Orthopaedics and Traumatology. 2018;31(4):229-238.
  5. Pratesi A, Grieco G, Morabito S, et al. Prevalence of methicillin-resistant staphylococci isolated from the oral cavity of dogs and cats and genetic characterization of methicillin-resistant Staphylococcus pseudintermedius strains. Journal of Veterinary Diagnostic Investigation. 2021;33(5):910-917.
Inhalt
Download/Drucken

Bissverletzung bei einem Hund