Lidocain

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Lidocain ist ein Lokalanästhetikum aus der Gruppe der Amide, das sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin breite Anwendung findet. Es wird primär zur lokalen Schmerzausschaltung bei kleineren Eingriffen, als Antiarrhythmikum bei Herzrhythmusstörungen sowie in Form von Salben und Gelen zur Oberflächenanästhesie eingesetzt. Der Wirkstoff blockiert spannungsabhängige Natriumkanäle in den Zellmembranen, wodurch die Weiterleitung von Nervenimpulsen gehemmt wird. Diese Eigenschaft macht Lidocain zu einem effektiven Schmerzmittel, birgt jedoch bei Überdosierung oder falscher Anwendung erhebliche Risiken für Kleintiere.

Die Toxizität von Lidocain unterscheidet sich deutlich zwischen verschiedenen Tierarten. Katzen sind aufgrund ihrer eingeschränkten Fähigkeit zur Glukuronidierung – einem wichtigen Stoffwechselweg zum Abbau von Medikamenten in der Leber – besonders empfindlich. Während Hunde eine etwas höhere Toleranz aufweisen, können auch bei ihnen bereits geringe Überdosierungen zu schwerwiegenden Vergiftungserscheinungen führen. Die therapeutische Breite, also der Abstand zwischen wirksamer und toxischer Dosis, ist bei beiden Tierarten relativ gering.

Das Wichtigste auf einen Blick

Lidocain-Vergiftungen stellen in der Kleintiermedizin ein relevantes toxikologisches Problem dar, das sowohl durch medizinische Anwendung als auch durch versehentliche Exposition entstehen kann. Der Wirkstoff blockiert Natriumkanäle und beeinträchtigt dadurch die Erregungsleitung in Nerven- und Herzmuskelzellen. Besonders Katzen sind aufgrund ihres eingeschränkten Metabolismus gefährdet.

Die klinischen Anzeichen manifestieren sich primär am Nervensystem mit Symptomen wie Unruhe, Tremor und Krampfanfällen sowie am Herz-Kreislauf-System in Form von Arrhythmien und Blutdruckveränderungen. Die Diagnose basiert hauptsächlich auf der Anamnese und dem charakteristischen Symptombild, unterstützt durch EKG-Untersuchungen.

Die Therapie umfasst Dekontaminationsmaßnahmen, symptomatische Behandlung der neurologischen und kardiovaskulären Symptome sowie unterstützende Maßnahmen. Die intravenöse Lipidtherapie hat sich als vielversprechende Behandlungsoption bei schweren Intoxikationen erwiesen.

Bei frühzeitiger Erkennung und adäquater Behandlung ist die Prognose günstig, wobei die Erholungszeit bei Katzen aufgrund ihres verzögerten Metabolismus länger sein kann. Die Nachsorge konzentriert sich auf die Überwachung möglicher Langzeitfolgen und die Prävention erneuter Exposition.

Für Tierärzte und Tierbesitzer ist es wichtig, die Risiken von Lidocain zu kennen und bei der Anwendung die tierartspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Eine sorgfältige Dosierung und sichere Aufbewahrung lidocainhaltiger Präparate sind entscheidend, um Vergiftungsfälle zu vermeiden.

Ursachen, Entstehung und Verlauf

Lidocain erhöht an den Nervenzellen die Erregungsschwelle und verlangsamt die Reizweiterleitung.
Am Herzmuskel reduziert Lidocain die Erregbarkeit, die Geschwindigkeit der Erregungsleitung und die Kontraktionskraft, sodass die Gefahr von Rhythmusstörungen geringer wird.

Lidocain-Vergiftungen bei Haustieren entstehen hauptsächlich durch drei Szenarien: iatrogene Überdosierung im Rahmen tierärztlicher Behandlungen, versehentliche orale Aufnahme von lidocainhaltigen Präparaten oder unsachgemäße Anwendung durch Tierbesitzer.

Bei der iatrogenen Vergiftung kommt es durch zu hohe Dosierung, zu schnelle intravenöse Applikation oder unbeabsichtigte intravasale Injektion bei eigentlich subkutaner Anwendung zu toxischen Plasmaspiegeln. Besonders gefährdet sind hier Tiere mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion, da die Metabolisierung und Ausscheidung des Wirkstoffs verzögert sein können.

Die versehentliche orale Aufnahme erfolgt meist durch Zugang der Tiere zu Medikamenten des Besitzers. Obwohl Lidocain bei oraler Aufnahme einem erheblichen First-Pass-Effekt in der Leber unterliegt, können bei Aufnahme größerer Mengen dennoch toxische Plasmaspiegel entstehen. Bei Katzen ist dieser Effekt aufgrund ihrer metabolischen Besonderheiten noch ausgeprägter.

Eine weitere häufige Ursache ist die unsachgemäße Anwendung durch Tierbesitzer, die humanmedizinische Lidocain-Präparate bei ihren Haustieren anwenden. Die Konzentration dieser Präparate ist oft für Tiere ungeeignet, und die Dosierung wird häufig falsch berechnet. Besonders gefährlich sind Kombinationspräparate, die neben Lidocain weitere Wirkstoffe enthalten, die für Tiere toxisch sein können.

Wirkungsmechanismus

Lidocain wird bei oraler Aufnahme resorbiert. Es ist ebenfalls aufgrund der eingeschränkten Abbaumöglichkeiten bei Katzen gefährlich.
Die toxische Wirkung von Lidocain betrifft zunächst das zentrale Nervensystem. Dieses reagiert empfindlicher und bereits bei einem niedrigeren Plasmaspiegel an Lidocain als etwa das Herz-Kreislaufsystem.
Für den potenziellen tödlichen Ausgang von Lidocain-Intoxikationen sind jedoch die Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem bedeutungsvoller.
Die Verlangsamung der Erregungsweiterleitung am Herzen bis zu Blockierungen führt zu ausgeprägten Arrhythmien am Herzen und letztlich zum Herzstillstand.
Bei Katzen führt die genetisch bedingt eingeschränkte Abbaumöglichkeit in der Leber bei Intoxikationen zu einem lang anhaltenden hohen Plasmaspiegel.

Ergänzungen

Die Toxizität betrifft hauptsächlich das zentrale Nervensystem (ZNS) und das Herz-Kreislauf-System.

1. Wirkprinzip von Lidocain (physiologisch und toxikologisch)

Lidocain blockiert selektiv die spannungsgesteuerten Natriumkanäle (Na⁺-Kanäle) in neuronalen und kardialen Zellmembranen. Dadurch wird die Weiterleitung von Aktionspotenzialen in Nerven und Herzmuskelzellen gehemmt.

a) Im therapeutischen Bereich:

  • Hemmung der Na⁺-Kanäle führt zur reversiblen Unterbrechung der Nervenleitung → lokale Schmerzausschaltung.
  • Im Herzen: Verkürzung der Aktionspotenzialdauer → Behandlung ventrikulärer Tachyarrhythmien.

b) Im toxischen Bereich:

  • Lidocain hemmt auch zentrale und kardiale Natriumkanäle
  • Es kommt zur exzessiven Hemmung neuronaler Erregungsleitung und kardialer Impulsweiterleitung, was zu schwerwiegenden neurologischen und kardiovaskulären Symptomen führt.

2. Pathophysiologie der Lidocainvergiftung

Zentrales Nervensystem – erste Zielstruktur der Toxizität

  • Initiale Phase: Reversible Blockade inhibitorischer Interneurone → Erregungsüberschuss, z. B. Unruhe, Muskelzittern, Ataxie.
  • Fortgeschrittene Phase: Generalisierte Na⁺-Kanal-Blockade → Depression der gesamten neuronalen Aktivität → Lethargie, Krämpfe, Koma.

Herz-Kreislauf-System

  • Blockade kardialer Na⁺-Kanäle → Verzögerung der Reizweiterleitung, verlängerte Depolarisation.
  • Folge: Bradykardie, AV-Block, Hypotonie, ventrikuläre Arrhythmien, im Extremfall Kammerflimmern oder Herzstillstand.
  • Myokardiale Kontraktilität kann durch Lidocain zusätzlich deprimiert werden → Gefahr eines kardiogenen Schocks.

Weitere Wirkungen

  • Vasodilatation durch Beeinflussung glatter Gefäßmuskulatur → Blutdruckabfall
  • In hohen Dosen: Metabolische Azidose, Atemdepression

3. Speziesunterschiede und Risikofaktoren

Hund:

  • Grundsätzlich besser verträglich als Katze.
  • Toxische Dosis i.v.: etwa >20 mg/kg
  • Symptome setzen oft rasch nach intravenöser oder intravasaler Gabe ein.

Katze:

  • Sehr empfindlich gegenüber Lidocain, da die hepatische Metabolisierung (v. a. Glukuronidierung) eingeschränkt ist.
  • Toxische Dosis i.v.: bereits ab 6–10 mg/kg
  • Besonders gefährlich ist eine orale Anwendung (z. B. in der Maulhöhle): führt zu intensiven ZNS-Störungen, Hypersalivation, Kollaps.

4. Klinische Symptome einer Lidocainvergiftung

Organsystem Symptome
ZNS Unruhe, Muskelzittern, Ataxie, Krämpfe, Koma
Herz-Kreislauf Bradykardie, Hypotonie, Arrhythmien, AV-Block, Herzstillstand
Respiration Atemnot, Hypoventilation, Zyanose
Allgemein Schwäche, Hypersalivation, Hyperthermie durch Muskelaktivität

5. Mechanistische Zusammenfassung

Zielstruktur Mechanismus Folge
Spannungsgesteuerte Na⁺-Kanäle Blockade der schnellen Natriumkanäle Hemmung der Reizleitung in Nerven und Myokard
Interneurone im ZNS Disinhibition durch frühe Blockade → später Totalhemmung Krämpfe, ZNS-Depression, Atemstillstand
Herzmuskel Verzögerung der Erregungsausbreitung → Kontraktionsminderung Bradykardie, Hypotonie, Arrhythmien
Glatte Gefäßmuskulatur Vasodilatation Blutdruckabfall, Kreislaufversagen

 

6. Fazit

Eine Lidocainvergiftung bei Hunden und Katzen resultiert aus einer systemischen Überdosierung und betrifft vorwiegend das ZNS und das Herz-Kreislauf-System. Der zugrunde liegende Mechanismus ist die Blockade spannungsabhängiger Natriumkanäle, wodurch die elektrische Erregbarkeit von Nervenzellen und Kardiomyozyten massiv gestört wird. Während Hunde eine moderate Toleranz zeigen, reagieren Katzen extrem empfindlich, insbesondere bei oraler oder intravenöser Exposition. Lidocainvergiftungen stellen einen veterinärmedizinischen Notfall dar und erfordern sofortige symptomatische Behandlung, speziell bei Krampfanfällen oder Kreislaufschwäche.

Symptome einer Intoxikation

Das Nervensystem betreffend

  • Verwirrtheit
  • Unruhe
  • Tremor und
  • Krampfanfälle (tonisch-klonisch)

Das Herzkreislaufsystem betreffend

  • zunächst Anstieg der HF und des Blutdruckes
  • später Abfall der HF und des Blutdruckes
  • Herz-Rhythmusstörungen
  • Kammerflimmern
  • Herzstillstand (Asystolie)
  • Koma
  • Atemstillstand

Die klinischen Anzeichen einer Lidocain-Vergiftung manifestieren sich primär am Nervensystem und am Herz-Kreislauf-System, wobei die neurologischen Symptome in der Regel zuerst auftreten. Die Symptomatik entwickelt sich meist rasch nach Exposition und kann je nach Schweregrad der Intoxikation unterschiedlich ausgeprägt sein.

Im Bereich des zentralen Nervensystems zeigen betroffene Tiere anfänglich Unruhe, Desorientierung und Verwirrtheit. Mit steigendem Plasmaspiegel können Muskelzittern (Tremor), Ataxie und Koordinationsstörungen auftreten. In schweren Fällen entwickeln sich tonisch-klonische Krampfanfälle, die in ein Koma übergehen können. Diese neurologischen Symptome entstehen durch die Blockade inhibitorischer Neurone im ZNS, was zu einer Überaktivität exzitatorischer Systeme führt.

Die kardiovaskulären Auswirkungen beginnen typischerweise mit einer initialen Tachykardie und Hypertonie, gefolgt von einer progressiven Bradykardie und Hypotonie bei anhaltender Exposition. Durch die Blockade der Natriumkanäle am Herzmuskel kommt es zu Störungen der Erregungsleitung, die sich als verschiedene Arrhythmien manifestieren können. In schweren Fällen kann es zu ventrikulärem Flimmern und schließlich zum Herzstillstand kommen. Diese kardiovaskulären Effekte sind besonders gefährlich, da sie auch nach Abklingen der neurologischen Symptome noch persistieren können.

Bei Katzen können die Symptome aufgrund des verzögerten Abbaus von Lidocain länger anhalten und schwerer ausgeprägt sein. Zusätzlich können gastrointestinale Symptome wie Erbrechen und Speicheln auftreten, besonders bei oraler Aufnahme des Wirkstoffs.

Diagnose

Die Diagnose einer Lidocain-Vergiftung basiert primär auf der Anamnese, den klinischen Symptomen und dem Ausschluss anderer Ursachen. Eine gründliche Befragung des Besitzers ist entscheidend, um Informationen über mögliche Expositionsquellen, Zeitpunkt der Exposition und geschätzte aufgenommene Menge zu erhalten.

Die klinische Untersuchung umfasst eine vollständige neurologische Evaluation und kardiovaskuläre Beurteilung. Besonderes Augenmerk liegt auf der Herzfrequenz, dem Herzrhythmus und dem Blutdruck. Ein Elektrokardiogramm (EKG) ist ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel, da Lidocain charakteristische Veränderungen verursachen kann, darunter Sinusbradykardie, verlängerte PR-Intervalle, verbreiterte QRS-Komplexe und verschiedene Formen von Herzblock.

Labordiagnostische Untersuchungen dienen hauptsächlich dem Ausschluss anderer Ursachen und der Beurteilung von Organfunktionen. Ein vollständiges Blutbild, Serumelektrolyte, Nieren- und Leberwerte sollten bestimmt werden, um den Allgemeinzustand des Patienten zu beurteilen und mögliche Komplikationen zu erkennen. Die direkte Bestimmung von Lidocain-Plasmaspiegeln ist in der veterinärmedizinischen Praxis selten verfügbar und für die akute Behandlung oft nicht zeitnah genug.

Differenzialdiagnostisch müssen andere Vergiftungen (insbesondere durch andere Lokalanästhetika, Antiarrhythmika oder ZNS-aktive Substanzen), metabolische Störungen, primäre neurologische Erkrankungen und primäre kardiale Arrhythmien ausgeschlossen werden. Die zeitliche Korrelation zwischen Exposition und Symptombeginn, das charakteristische Muster der klinischen Anzeichen und das Ansprechen auf die Therapie unterstützen die Diagnose.

Therapeutische Prinzipien

Bei oraler Aufnahme von Lidocain ist die Dekontamination durch das Auslösen von Erbrechen, Gabe von Aktivkohle und / oder Darmspülung abhängig von der Zeit, die zwischen der Aufnahme von Lidocain und Vorstellung beim Tierarzt verstrichen ist.
Ein Antidot gibt es nicht.
Die Therapie ist symptomatisch.
Bei Herzstillstand ist unmittelbar eine Reanimation notwendig.
Aufgrund des verzögerten Abbaus von Lidocain bei der Katze ist die Kontrolle der Herz-Kreislauf-Funktion zeitlich auszudehnen und unter Umständen eine wiederholte Reanimation notwendig.
In der Humanmedizin erfolgt unmittelbar nach erfolgreicher Reanimation die intravenöse Gabe von Lipiden.
Den Effekt einer Lipidinfusion erklärt man sich über eine Bindung der fettlöslichen Lidocain-Moleküle an die infundierten Lipide.
Die Kontrolle der Anfälle und des Tremors erfolgt medikamentös, sodass die Symptome möglichst gelindert werden, aber keine tiefe Anästhesie angestrebt wird. Durch die wiederholte Gabe kleinerer Einzeldosen und die Kombination mehrerer Medikamente kann die Dosis von Antikonvulsiva reduziert und die Gefahr von Nebenwirkungen minimiert werden.

Ergänzungen

Die Behandlung einer Lidocain-Vergiftung erfordert ein schnelles und strukturiertes Vorgehen. Da kein spezifisches Antidot existiert, basiert die Therapie auf drei Säulen: Dekontamination, symptomatische Behandlung und unterstützende Maßnahmen.

Bei kürzlich erfolgter oraler Aufnahme kann eine Dekontamination durch Auslösen von Erbrechen (nur bei wachem Tier und innerhalb der ersten 1-2 Stunden) und die Verabreichung von Aktivkohle (1-4 g/kg KGW) erfolgen. Bei dermaler Exposition sollte der betroffene Bereich gründlich mit lauwarmem Wasser gespült werden, um verbleibendes Lidocain zu entfernen.

Die symptomatische Therapie richtet sich nach den vorherrschenden klinischen Anzeichen. Bei Krampfanfällen werden Antikonvulsiva wie Diazepam (0,5-2 mg/kg i.v.) oder Phenobarbital (2–6 mg/kg i.v.) eingesetzt. Wichtig ist dabei, die Dosis titrierend zu verabreichen, um eine übermäßige Atemdepression zu vermeiden. Bei kardiovaskulären Komplikationen können je nach Art der Arrhythmie spezifische Antiarrhythmika indiziert sein. Bei Bradykardie kann Atropin (0,02-0,04 mg/kg i.v.) verabreicht werden, während Hypotension mit Flüssigkeitstherapie und gegebenenfalls Vasopressoren behandelt wird.

Eine vielversprechende Therapieoption bei schweren Lidocain-Vergiftungen ist die intravenöse Lipidinfusion (Lipid Rescue Therapy). Diese Behandlung basiert auf dem Prinzip, dass lipophile Substanzen wie Lidocain in einer Lipidemulsion gebunden werden können, wodurch ihre Konzentration im Plasma und damit ihre toxische Wirkung reduziert wird. Das Protokoll umfasst typischerweise einen initialen Bolus von 20 % Lipidemulsion (1,5 ml/kg über 1–2 Minuten), gefolgt von einer kontinuierlichen Infusion (0,25 ml/kg/min für 30–60 Minuten).

Unterstützende Maßnahmen beinhalten die Flüssigkeitstherapie zur Förderung der renalen Elimination, eine Sauerstoffsupplementierung bei Hypoxie und in schweren Fällen möglicherweise eine maschinelle Beatmung. Eine kontinuierliche Überwachung der Vitalparameter, insbesondere der Herzfunktion, ist essenziell, um auf Veränderungen schnell reagieren zu können.

Prognose & Nachsorge

Die Prognose ist gut.

Die Prognose bei Lidocain-Vergiftungen ist bei frühzeitiger Erkennung und adäquater Behandlung grundsätzlich günstig. Der Verlauf und die Heilungsaussichten hängen maßgeblich von der aufgenommenen Menge, der Zeitspanne bis zum Therapiebeginn und dem individuellen Gesundheitszustand des Tieres ab.

Bei leichten bis mittelschweren Vergiftungen ist nach erfolgreicher Behandlung in der Regel eine vollständige Erholung ohne Langzeitfolgen zu erwarten. Die neurologischen Symptome bilden sich meist innerhalb von 24 Stunden zurück, während kardiovaskuläre Effekte etwas länger persistieren können. Bei Katzen kann aufgrund ihres verzögerten Metabolismus die Erholungsphase verlängert sein.

Schwere Intoxikationen mit prolongierten Krampfanfällen oder schwerwiegenden Herzrhythmusstörungen können potenziell zu dauerhaften neurologischen Schäden oder myokardialen Beeinträchtigungen führen. In solchen Fällen ist eine engmaschige Nachsorge mit regelmäßigen kardiologischen und neurologischen Kontrolluntersuchungen indiziert.

Die Nachsorge umfasst zunächst eine stationäre Überwachung für mindestens 24–48 Stunden nach Abklingen der akuten Symptome, insbesondere bei Katzen. Nach der Entlassung sollten die Besitzer auf mögliche Rückfälle oder verzögert auftretende Symptome achten. Dazu gehören subtile neurologische Auffälligkeiten wie veränderte Verhaltensweisen, Koordinationsstörungen oder Schwäche sowie Anzeichen von Herzproblemen wie Leistungsschwäche, Husten oder Atemnot.

Präventive Maßnahmen zur Vermeidung erneuter Exposition sind ein wesentlicher Bestandteil der Nachsorge. Hierzu zählen die sichere Aufbewahrung von Medikamenten außerhalb der Reichweite von Haustieren und die Aufklärung der Besitzer über die Risiken der Selbstmedikation ihrer Tiere mit humanmedizinischen Präparaten.

Ausblick auf Forschung

Die Forschung im Bereich der Lidocain-Toxizität bei Kleintieren entwickelt sich kontinuierlich weiter, wobei mehrere vielversprechende Ansätze verfolgt werden. Ein Schwerpunkt liegt auf der Optimierung der Lipid-Rescue-Therapie, die in den vergangenen Jahren zunehmend Eingang in die veterinärmedizinische Praxis gefunden hat. Aktuelle Studien untersuchen die optimale Dosierung, Applikationsgeschwindigkeit und Zusammensetzung der Lipidemulsionen für verschiedene Tierarten und Vergiftungsgrade.

Ein weiterer Forschungsbereich betrifft die Entwicklung spezifischer Biomarker für die frühe Erkennung von Lokalanästhetika-induzierten Toxizitäten. Diese könnten helfen, gefährdete Patienten frühzeitig zu identifizieren und präventive Maßnahmen einzuleiten. Parallel dazu werden neue Formulierungen von Lidocain mit verbesserten pharmakokinetischen Eigenschaften und geringerem Toxizitätspotenzial erforscht, die speziell auf die Bedürfnisse verschiedener Tierarten zugeschnitten sind.

Besondere Aufmerksamkeit gilt auch den genetischen Faktoren, die die individuelle Empfindlichkeit gegenüber Lidocain beeinflussen. Durch die Identifizierung genetischer Polymorphismen, die mit einem erhöhten Vergiftungsrisiko assoziiert sind, könnten in Zukunft personalisierte Dosierungsschemata entwickelt werden, die das Toxizitätsrisiko minimieren.

Die Integration von Point-of-Care-Testverfahren zur schnellen Bestimmung von Lidocain-Plasmaspiegeln in der tierärztlichen Praxis könnte die diagnostische Sicherheit erhöhen und eine gezieltere Therapie ermöglichen. Solche Schnelltests befinden sich derzeit in der Entwicklung und könnten in den kommenden Jahren verfügbar werden.

Nicht zuletzt widmet sich die Forschung auch der Langzeitprognose nach überstandener Lidocain-Vergiftung. Longitudinalstudien untersuchen mögliche subtile neurologische oder kardiale Folgeschäden und deren Auswirkungen auf die Lebensqualität der betroffenen Tiere.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

  1. Wie schnell treten die Symptome einer Lidocain-Vergiftung auf?

Die Symptome einer Lidocain-Vergiftung können sehr rasch auftreten. Bei intravenöser Applikation sind erste Anzeichen oft innerhalb von Minuten zu beobachten, während es bei oraler Aufnahme typischerweise 30–60 Minuten dauern kann. Bei Katzen können die Symptome aufgrund des verzögerten Abbaus länger anhalten.

  1. Kann ich meinem Haustier Lidocain-Salbe aus der Humanmedizin bei kleinen Verletzungen auftragen?

Nein, die Anwendung von humanmedizinischen Lidocain-Präparaten bei Haustieren ohne tierärztliche Anweisung ist nicht zu empfehlen. Die Konzentration ist oft für Tiere ungeeignet, und es besteht die Gefahr der Überdosierung durch Aufnahme beim Lecken. Konsultieren Sie stets einen Tierarzt für geeignete Behandlungsoptionen.

  1. Welche Tiere sind besonders empfindlich gegenüber Lidocain?

Katzen sind aufgrund ihres eingeschränkten Metabolismus besonders empfindlich gegenüber Lidocain. Auch kleine Hunderassen, junge Tiere und Tiere mit Leber- oder Nierenerkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für Vergiftungen.

  1. Wie wird eine Lidocain-Vergiftung behandelt?

Die Behandlung umfasst Dekontaminationsmaßnahmen (wenn möglich), symptomatische Therapie der neurologischen und kardiovaskulären Symptome, intravenöse Flüssigkeitstherapie und in schweren Fällen die intravenöse Lipidtherapie. Eine stationäre Überwachung ist in der Regel notwendig.

  1. Gibt es ein Gegenmittel für Lidocain-Vergiftungen?

Ein spezifisches Antidot für Lidocain existiert nicht. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu kontrollieren und den Körper bei der Elimination des Wirkstoffs zu unterstützen. Die intravenöse Lipidtherapie kann helfen, Lidocain im Blutkreislauf zu binden und seine toxischen Effekte zu reduzieren.

  1. Kann mein Tier nach einer Lidocain-Vergiftung vollständig genesen?

Bei frühzeitiger Erkennung und adäquater Behandlung ist die Prognose für eine vollständige Genesung gut. Schwere Vergiftungen mit prolongierten Krampfanfällen oder Herzrhythmusstörungen können jedoch zu dauerhaften Schäden führen.

  1. Wie kann ich eine Lidocain-Vergiftung bei meinem Haustier verhindern?

Bewahren Sie alle Medikamente sicher außerhalb der Reichweite von Haustieren auf. Verwenden Sie Lidocain-Präparate nur nach tierärztlicher Anweisung und in der vorgeschriebenen Dosierung. Achten Sie darauf, dass Ihr Tier keine behandelten Hautbereiche ablecken kann.

  1. Welche alternativen Schmerzmittel sind für Haustiere sicherer als Lidocain?

Für die Schmerzbehandlung bei Haustieren stehen verschiedene tierärztlich zugelassene Medikamente zur Verfügung, darunter nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAIDs) wie Meloxicam oder Carprofen sowie Opioide. Die Wahl des geeigneten Schmerzmittels sollte immer in Absprache mit dem Tierarzt erfolgen.

  1. Wie lange dauert es, bis Lidocain vom Körper meines Haustieres abgebaut wird?

Die Eliminationshalbwertszeit von Lidocain beträgt bei Hunden etwa 1–2 Stunden, bei Katzen kann sie aufgrund des eingeschränkten Metabolismus deutlich länger sein (bis zu 4–6 Stunden). Eine vollständige Elimination dauert in der Regel das 4- bis 5-fache der Halbwertszeit.

  1. Kann eine Lidocain-Vergiftung tödlich sein?

Ja, unbehandelte schwere Lidocain-Vergiftungen können durch Herzrhythmusstörungen, Atemlähmung oder Krampfanfälle zum Tod führen. Bei frühzeitiger Erkennung und adäquater Behandlung ist das Risiko jedoch deutlich reduziert.

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