Blutung, starke

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Starke Blutungen bei Haustieren stellen einen akuten Notfall (Sofort/Notfall) dar, der sofortiges Handeln erfordert. Unter einer starken Blutung versteht man einen erheblichen Blutverlust, der durch die Verletzung von Blutgefäßen entsteht und unbehandelt zu lebensbedrohlichen Zuständen führen kann. Je nach betroffenem Gefäßtyp unterscheiden wir drei Hauptarten von Blutungen: Arterielle Blutungen sind durch hellrotes, pulsierend austretendes Blut gekennzeichnet und besonders gefährlich, da arterielles Blut unter hohem Druck steht. Venöse Blutungen zeigen sich durch dunkelrotes, stetig fließendes Blut. Kapillarblutungen sind oberflächlicher und weniger dramatisch, das Blut sickert dabei aus kleinen Gefäßen der Haut.

Bei Haustieren können bereits Blutverluste von mehr als 15–20 % des Gesamtblutvolumens zu einem hypovolämischen Schock führen. Besonders kleine Hunderassen und Katzen haben ein geringeres Blutvolumen und können daher schneller kritische Zustände entwickeln. Das Gesamtblutvolumen eines Tieres beträgt etwa 80–90 ml pro Kilogramm Körpergewicht, was bedeutet, dass eine 5 kg schwere Katze nur etwa 400-450 ml Blut besitzt. Ein Verlust von nur 80 ml kann daher bereits kritisch sein.

Das Wichtigste auf einen Blick

Starke Blutungen bei Haustieren stellen einen medizinischen Notfall dar, der sofortiges Handeln erfordert. Sie können durch verschiedene Ursachen wie Traumata, Gerinnungsstörungen oder Tumorerkrankungen ausgelöst werden. Die Erkennung basiert auf klinischen Symptomen wie sichtbarem Blutverlust, blassen Schleimhäuten und Kreislaufinstabilität. Bei inneren Blutungen sind bildgebende Verfahren und Laboruntersuchungen für die Diagnose entscheidend.

Die Therapie folgt dem Prinzip der schnellen Blutstillung und Kreislaufstabilisierung, gefolgt von einer definitiven chirurgischen Versorgung. Die Prognose hängt vom Ausmaß des Blutverlusts, der Grundursache und der Schnelligkeit der Behandlung ab. Eine sorgfältige Nachsorge ist essenziell, um Komplikationen zu vermeiden und die vollständige Genesung zu gewährleisten.

Tierbesitzer sollten grundlegende Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Blutungen kennen und im Notfall schnell handeln. Ein gut ausgestatteter Erste-Hilfe-Koffer für Haustiere sollte in jedem Haushalt vorhanden sein und regelmäßig auf Vollständigkeit überprüft werden.

Ursachen

Starke Blutungen bei Haustieren können durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden. Traumatische Verletzungen stellen die häufigste Ursache dar, darunter Verkehrsunfälle, Stürze aus großer Höhe, Bissverletzungen durch andere Tiere oder Schnittverletzungen durch scharfe Gegenstände. Bei Katzen sind Hochhausstürze und Revierkämpfe häufige Auslöser, während bei Hunden Verkehrsunfälle und Verletzungen beim Spielen oder durch Fremdkörper überwiegen.

Neben äußeren Traumata können auch innere Blutungen auftreten, etwa durch Milzrupturen, Lebertraumen oder Tumorblutungen. Diese sind besonders tückisch, da sie äußerlich nicht sofort erkennbar sind. Gerinnungsstörungen bilden eine weitere wichtige Ursachengruppe. Hierzu zählen angeborene Erkrankungen wie die Von-Willebrand-Krankheit bei bestimmten Hunderassen (besonders Dobermänner) oder erworbene Störungen durch Vergiftungen (z. B. Rattengift/Cumarinderivate), Lebererkrankungen oder Medikamente wie nicht-steroidale Antiphlogistika.

Auch iatrogene Ursachen wie Komplikationen nach chirurgischen Eingriffen oder Blutentnahmen können zu starken Blutungen führen, besonders bei Tieren mit vorbestehenden Gerinnungsstörungen.

Symptome

Die Symptome einer starken Blutung variieren je nach Lokalisation, Ausmaß und Geschwindigkeit des Blutverlusts. Bei äußeren Blutungen ist der Blutverlust offensichtlich sichtbar. Arterielle Blutungen erkennt man am hellroten, pulsierend austretenden Blut, während venöse Blutungen durch dunkelrotes, stetig fließendes Blut charakterisiert sind. Bei inneren Blutungen hingegen sind die Anzeichen subtiler und können leicht übersehen werden.

Zu den systemischen Symptomen eines größeren Blutverlusts gehören blasse bis weiße Schleimhäute, verlängerte kapilläre Füllungszeit (über 2 Sekunden), Tachykardie (erhöhte Herzfrequenz), Tachypnoe (beschleunigte Atmung), Schwäche, Lethargie und in fortgeschrittenen Fällen Bewusstseinstrübung bis zum Kollaps. Bei Blutungen in die Bauchhöhle hinein kann das Abdomen aufgetrieben erscheinen und bei Palpation schmerzhaft sein. Thorakale Blutungen können zu Atemnot und zyanotischen (bläulichen) Schleimhäuten führen.

Besonders bei Katzen können die Anzeichen eines Schocks sehr subtil sein, da diese Tiere Stress- und Schmerzsymptome oft verbergen. Eine ruhige, zurückgezogene Katze mit blassen Schleimhäuten sollte daher immer Anlass zur Sorge geben.

Erste Hilfe

  • Entfernen Sie eventuell eingedrungene Fremdkörper.
  • Untersuchen Sie die Wunde jedoch nicht und versuchen Sie auch nicht, eine stark blutende Wunde selbst zu reinigen.
  • Kümmern Sie sich nur darum, die Blutung zu stoppen.
  • Legen Sie einen Verband an oder ein sauberes Tuch auf die Wunde und üben Sie einen gleichmäßigen Druck auf die Wunde aus, bis die Wunde aufhört zu bluten. Bei einer arteriellen Blutung kann das bis zu 15 Minuten dauern.
  • Legen Sie eventuell einen dicken Verband an, der den gleichmäßigen Druck aufrechterhält.
  • Bei Verletzungen am Kopf achten Sie darauf, dass Sie jedoch keinen Druck auf die Augen ausüben.
  • Üben Sie auch keinen Druck aus, wenn Sie noch einen Fremdkörper im Gewebe vermuten.
  • Bringen Sie Ihr Tier an einen ruhigen Ort, hüllen Sie es in eine Decke ein, legen Sie es möglichst auf den Boden, damit es bei Unruhe nirgends herunterfallen kann.
  • Wenn das Blut Ihren Verband durchdringt, entfernen Sie ihn nicht, sondern legen weiteres Verbandsmaterial darüber.
  • Sollte sich die stark blutende Wunde an einem Bein befinden, können Sie auch versuchen, den Blutzufluss insgesamt durch Abbinden (Tourniquet) einzudämmen. Allerdings auch nicht länger als 20 min.

Diagnose

Die Diagnose einer starken Blutung beginnt mit einer gründlichen klinischen Untersuchung. Bei äußeren Blutungen ist die Diagnose offensichtlich, jedoch muss das Ausmaß der Verletzung und der Blutverlust eingeschätzt werden. Bei inneren Blutungen sind bildgebende Verfahren unerlässlich. Die Ultraschalluntersuchung (Sonografie) ist besonders wertvoll, da sie nicht-invasiv ist und freie Flüssigkeit in Körperhöhlen schnell nachweisen kann. Bei abdominalen Blutungen kann eine Abdominozentese durchgeführt werden, um zu bestätigen, dass es sich bei der freien Flüssigkeit um Blut handelt.

Röntgenaufnahmen können Hinweise auf Organverletzungen, Fremdkörper oder Frakturen geben, die mit Blutungen assoziiert sein können. In spezialisierten Einrichtungen können Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) detailliertere Informationen über die Blutungsquelle liefern.

Laboruntersuchungen sind notwendig, um das Ausmaß des Blutverlusts zu quantifizieren und Gerinnungsstörungen zu identifizieren. Ein Blutbild gibt Aufschluss über den Hämatokrit, die Erythrozytenzahl und den Hämoglobinwert. Diese Werte können bei akuten Blutungen zunächst noch normal sein, da der Körper zunächst nicht mit Flüssigkeitsverschiebungen reagiert hat. Gerinnungstests wie Prothrombinzeit (PT), aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) und Thrombozytenzahl helfen, Gerinnungsstörungen zu identifizieren.

Weitere tieräztliche Maßnahmen

Eine starke, meist arterielle Blutung, ist ein Sofort/Notfall. Bringen Sie Ihr Tier so schnell wie möglich zu einem Tierarzt.
Größere arterielle Blutungen bergen die Gefahr großer Blutverluste und können durch den Laien nur schwer gestoppt werden. Es droht ein Volumenmangelschock, oder ein Verbluten.

Die Therapie starker Blutungen folgt dem Prinzip „Blutstillung und Kreislaufstabilisierung“. Bei äußeren Blutungen ist die direkte Kompression die wichtigste Erstmaßnahme. Ein Druckverband sollte angelegt werden, bei arteriellen Blutungen kann ein Tourniquet (Abbindung) proximal der Blutungsquelle für maximal 20 Minuten notwendig sein. Bei penetrierenden Verletzungen dürfen Fremdkörper nicht entfernt werden, da sie möglicherweise Gefäße tamponieren.

Die Kreislaufstabilisierung erfolgt durch intravenöse Flüssigkeitstherapie, vorzugsweise mit kristalloiden Lösungen wie Ringer-Lactat oder isotonischer Kochsalzlösung. Bei schweren Blutverlusten können Kolloide oder Bluttransfusionen notwendig sein. Vor einer Transfusion sollte idealerweise eine Blutgruppenbestimmung erfolgen, besonders bei Katzen, die starke Transfusionsreaktionen entwickeln können.

Die definitive chirurgische Versorgung umfasst die Identifikation und Ligatur (Abbindung) blutender Gefäße, die Entfernung von geschädigtem Gewebe und den Wundverschluss. Bei inneren Blutungen kann eine explorative Laparotomie oder Thorakotomie notwendig sein. In manchen Fällen können interventionelle Verfahren wie die Embolisation blutender Gefäße mittels Angiografie eine Alternative zur offenen Chirurgie darstellen.

Bei Gerinnungsstörungen ist die Behandlung der Grundursache entscheidend. Bei Vergiftungen mit Antikoagulantien wie Warfarin wird Vitamin K1 verabreicht, bei schweren Fällen ergänzt durch Plasma- oder Vollbluttransfusionen.

Prognose und Nachsorge

Die Prognose bei starken Blutungen hängt maßgeblich von der Ursache, dem Ausmaß des Blutverlusts, der Zeit bis zur Behandlung und dem Vorhandensein weiterer Verletzungen oder Grunderkrankungen ab. Frühzeitig behandelte äußere Blutungen haben generell eine gute Prognose, während massive innere Blutungen oder Blutungen aufgrund von schweren Gerinnungsstörungen mit einer höheren Mortalität verbunden sein können.

Die Nachsorge umfasst regelmäßige Kontrollen der Vitalparameter, des Hämatokrits und der Wundheilung. Bei großen Blutverlusten kann eine Anämie zurückbleiben, die eine unterstützende Therapie mit Eisenpräparaten erfordert. Die Regeneration der roten Blutkörperchen dauert in der Regel 3–4 Wochen. Während dieser Zeit sollte das Tier geschont werden und nur leichte körperliche Aktivität ausüben.

Bei chirurgisch versorgten Wunden ist auf Anzeichen von Infektionen oder erneuten Blutungen zu achten. Drainagen müssen regelmäßig kontrolliert und zum richtigen Zeitpunkt entfernt werden. Je nach Grunderkrankung können weitere spezifische Maßnahmen zur Nachsorge erforderlich sein. Dazu zählen eine längerfristige Antikoagulantien-Therapie bei Thrombosen oder eine Chemotherapie bei Tumorblutungen.

Ausblick auf aktuelle Forschung

Die Forschung im Bereich der Blutstillung und des Blutungsmanagements bei Haustieren entwickelt sich kontinuierlich weiter. Neue hämostatische Materialien wie zeolithbasierte Pulver oder Chitosan-Verbände zeigen vielversprechende Ergebnisse bei der schnellen Blutstillung und werden zunehmend in der Veterinärmedizin eingesetzt. Diese Materialien fördern die Blutgerinnung durch verschiedene Mechanismen wie Wasserentzug oder direkte Aktivierung der Gerinnungskaskade.

Im Bereich der Transfusionsmedizin werden Blutsubstitute und künstliche Sauerstoffträger erforscht, die potenziell die Notwendigkeit von Bluttransfusionen reduzieren könnten. Diese Produkte hätten den Vorteil längerer Haltbarkeit und universeller Einsetzbarkeit ohne Blutgruppenkompatibilität.

Die minimalinvasive Chirurgie und interventionelle Radiologie gewinnen auch in der Veterinärmedizin an Bedeutung. Techniken wie die endovaskuläre Embolisation ermöglichen die gezielte Verschließung blutender Gefäße ohne offene Operation, was besonders bei inneren Blutungen von Vorteil sein kann.

Auf dem Gebiet der Gerinnungsstörungen werden neue diagnostische Tests entwickelt, die schnellere und präzisere Ergebnisse liefern. Point-of-Care-Geräte zur Messung der Gerinnungsparameter ermöglichen eine zeitnahe Diagnose und Therapieanpassung direkt in der Praxis.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

  1. Wie erkenne ich, ob mein Haustier eine innere Blutung hat?
    Achten Sie auf Symptome wie blasse Schleimhäute, Schwäche, schnelle Atmung, beschleunigten Herzschlag, aufgetriebenen Bauch oder Kollaps. Bei Verdacht auf innere Blutungen, sollten Sie umgehend einen Tierarzt aufsuchen.
  2. Kann ich meinem Tier bei einer starken Blutung selbst helfen?
    Ja, durch direkten Druck auf die Wunde mit einem sauberen Tuch oder Verband. Heben Sie die betroffene Gliedmaße an und transportieren Sie das Tier ruhig zum Tierarzt. Entfernen Sie keine Fremdkörper aus Wunden.
  3. Wie lange dauert es, bis sich mein Tier nach einem starken Blutverlust erholt hat?
    Die Erholung kann je nach Schweregrad 3–4 Wochen dauern. Die Bildung neuer roter Blutkörperchen benötigt Zeit. Während dieser Phase sollte das Tier geschont werden.
  4. Benötigen Katzen und Hunde unterschiedliche Behandlungen bei Blutungen?
    Die Grundprinzipien sind gleich, jedoch haben Katzen spezifische Blutgruppen und können schwere Transfusionsreaktionen entwickeln. Zudem reagieren sie empfindlicher auf bestimmte Medikamente.
  5. Welche Hunderassen sind besonders anfällig für Gerinnungsstörungen?
    Dobermänner, Deutsche Schäferhunde, Pudel und Scotch Terrier haben ein erhöhtes Risiko für die von-Willebrand-Krankheit. Hämophilie kommt häufiger bei Deutschen Schäferhunden und Boxern vor.
  6. Wie kann ich Blutungen bei meinem Haustier vorbeugen?
    Halten Sie Ihr Tier an der Leine in verkehrsreichen Gebieten, sichern Sie Ihren Garten, vermeiden Sie scharfe Gegenstände im Haushalt und sorgen Sie für regelmäßige tierärztliche Kontrollen.
  7. Was sollte ein Erste-Hilfe-Set für Haustiere enthalten?
    Sterile Kompressen, elastische Binden, Klebeband, Schere, Pinzette, Einweghandschuhe, Desinfektionsmittel und idealerweise hämostatische Verbände oder Pulver.
  8. Kann mein Tier an einer kleinen Schnittwunde verbluten?
    Bei gesunden Tieren ist dies unwahrscheinlich. Bei Tieren mit Gerinnungsstörungen oder wenn Arterien verletzt sind, können jedoch auch kleinere Wunden zu gefährlichen Blutungen führen.

Literatur

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